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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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geklettert und hat sie aus dem Hinterhalt beworfen.«
    »Das war aber ein heftiges Spiel!«, sagte ich in echter Fuchsmanier. »Ist einer verletzt worden?«
    »Nein, es waren ja nur kleine Steine und auch viele Stöckchen und Erdklumpen dabei, das war nicht so gefährlich, aber trotzdem   … Gut, sie haben den Schleicher auch geärgert, und das ausgerechnet an seinem Geburtstag, aber   … Ach, ich weiß nicht, jedenfalls fand ich das nicht gut, und als die Räuber Reißaus nahmen, bin ich mit weggerannt.«
    Ich schmunzelte. »Ein Überläufer sozusagen.«
    »Genau.« Julian kuschelte sich an mich. »Mirko hat mir das natürlich übel genommen. Ich habe ihm zwar erzählt, die hätten
     mich gefangen genommen so wie dieMädchen, aber das hat er mir nicht geglaubt. Eine Zeit lang haben er und ich noch ab und zu miteinander gespielt, aber als
     ich älter wurde und allein mit dem Rad in den Ort und ins Freibad fahren konnte, habe ich mich nur noch mit den ehemaligen
     Räubern getroffen. Wenn du mich fragst, hat er’s mir bis heute nicht verziehen, dass ich ihn damals im Stich gelassen habe.
     Es ist auch komisch: Obwohl ich nicht hier wohne, habe ich mehr Freunde als er. Chris hat mich zum Beispiel gefragt, ob ich
     ab und zu in seiner Handballmannschaft mittrainieren will, und Dustin, der ziemlich gut Schlagzeug spielt, will mit mir eine
     Band gründen.«
    »Du bist halt beliebt.« Ich erinnerte mich gut an die Hauptfrage, die mich gequält hatte, als ich Julian kennenlernte: Wieso
     sollte sich so ein sportlicher, musikalischer, gut aussehender, selbstbewusster Typ ausgerechnet für mich interessieren? Einer
     wie er gehörte doch immer zu den heldenhaften Räubern, zu denen, die schöner, geschickter und pfiffiger waren, die zwar viele
     Dinge vielleicht gar nicht besser konnten als man selbst, aber den Mut hatten, sie als Erster auszuprobieren. Ich konnte nachempfinden,
     was Mirko gefühlt haben musste, als Julian mit den anderen Kindern weglief – die immerhin seine Geburtstagsgäste waren.
    Julian dachte längst nicht mehr daran. »Mein Saxofon habe ich noch gar nicht ausgepackt. Wollen wir nicht ein bisschen Musik
     machen? Bei diesem Wetter wäre das schön. Laura will zwar unbedingt singen, wenn wir wirklich eine Band gründen sollten, aber
     du hast eine viel bessere Stimme und   …«
    »Ah, ich weiß nicht.« Ich stand auf. Dass ich gebliebenwar und heute Abend mit ins
Tropic
ging, hieß nicht, dass ich Julian die Lügen und die Sache mit Esra verziehen hatte – und schon gar nicht, dass ich vorhatte,
     öfter hierherzukommen. Außerdem hatte Laura die lauteste Klappe, also würde sie singen, egal ob sie nun Talent dazu hatte
     oder nicht. Man hatte wirklich schlechte Karten, wenn man so war wie Mirko und ich.
    Julian bezahlte, hakte sich dann bei mir ein und schlenderte mit mir über den nassen Parkplatz. »Das Wetter wird wieder besser!
     Glück gehabt! Bei Dauerregen könnten wir das Motorrad vergessen.«
    Wir stiegen auf. Bevor er startete, schob er den Helm noch mal hoch und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Kurze Zeit später
     parkten wir die Enduro in der Garage neben Vollmers Jeep. Trockenen Fußes gingen wir zum Apartment hinüber.

21
    Der weiße Umschlag lag auf der Fußmatte. Mein erster, harmloser Gedanke war: Guck an, der Postbote kommt bis hier hinaus,
     das ist ein Service! Dann sah ich, dass keine Briefmarken auf dem Umschlag klebten. Augenblicklich bekam ich ein schlechtes
     Gefühl.
    »Nanu? Was haben wir denn da?« Julian bückte sich, las den in Druckbuchstaben geschriebenen Namen. »Für dich.« Er sah mich
     fragend an.
    »Mich kennt hier doch keiner!«, entgegnete ich. Idiotischerweise klang es wie eine Verteidigung.
    »Hier steht:
Für Eva in der Mühle.
Also, da bin ich aber neugierig! Vielleicht hast du ’nen Verehrer?«
    »Quatsch!« Ich riss mit nervösen Fingern den Umschlag auf.
    Julian machte einen langen Hals. »Wer weiß? Vielleicht Chris? Ich glaub, der mag dich.«
    »Ach, komm, hör auf.« Ich faltete die zwei DIN-A 4-Blätter auseinander.
    Einen Moment starrten wir beide auf das obere, lasen mehrfach die ebenfalls in Druckbuchstaben geschriebenen Zeilen.
    Dann schrie Julian unvermittelt los: »Was soll das denn?«
    Ich konnte nicht antworten. Die schwarzen Buchstaben wanden sich vor meinen Augen wie eine Schlange, versetzten auch den Boden,
     auf dem ich stand, in ungutes Schwanken.
Ich hätte Lust, diese Geständnisse im ganzen Ort zu plakatieren. Bleibst

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