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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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wie Alina und will
     leben. Meine Beine strampeln meine Jeans weg. Es ist so unfair, wenn wir uns gar nicht richtig haben, wenn hier nur noch Schlechtes
     passiert und ich morgen nach Hause fahre und meine erste Liebe am Ende nichts als ein paar schöne Stunden und eine große Katastrophe
     gewesen ist. Und ich will spüren, dass ich lebe, ich will nicht mehr die sein, die diesen furchtbaren Mist in ihr Tagebuch
     schreibt und sich dafür schämen muss, ich will das hinter mir haben, ich will noch mal dieses stolze, starke, freie Gefühl
     von gestern haben.
    Julian schien irritiert – schließlich weinte ich ja immer noch   –, aber dann doch überzeugt, dass ich wollte, was er glaubte, dass ich wollte. Ja, ich wollte es wirklich. So unpassend es
     sein mochte, so wichtig war es für mich. Ich hatte ein wildes Gefühl in mir, ich krallte mich an seinen Rücken, ich schlang
     meine Beine um ihn, ich war laut, voller Lust und Klage zugleich, und was das Wichtigste zum Überleben war: In diesem einen
     Moment, in dem ich nur noch mein Körper und sonst nichts war, wusste ich, dass ich die Feuerprobe Munkelbach bestehen würde.
    »Mann, du bist manchmal echt unglaublich«, flüsterte Julian mit rotem Gesicht und schweißglänzenden Haaren. »Das war echt
     klasse. Das hätte ich mich nie getraut, wenn du nicht angefangen hättest.«
    Ich musste lachen und dann plötzlich wieder weinen, aber so erschöpfend und krampfartig, dass mir übel davon wurde und Julian
     mir besorgt die Tränen abwischte.
    »Evchen? Hab ich was falsch gemacht? Tut dir was weh?«
    »Nein, Julian, es ist wegen Alina, dem Erpresser, wegen allem   … ich weiß auch nicht, es ist alles zu viel.«
    Julian rieb sich durch das Gesicht. »Ja, das ist es, das ist es wirklich.« Er hielt mich noch eine Weile tröstend fest, stand
     dann auf und zog sich an. »Soll ich mal die anderen anrufen? Vielleicht erfahre ich irgendwas Neues.«
    »Ja, tu das. Ich muss rauskriegen, wer mich erpressen will.«
    Er nickte und stieg die Treppe hinunter.
    Was blieb mir anderes übrig, als den Drohbrief noch einmal zur Hand zu nehmen? Egal, wie viel Überwindung mich das kostete:
     Wenn ich mich wehren wollte, musste ich wohl erst mal versuchen herauszufinden, was dieser Mensch von mir wollte.
    Also griff ich nach dem Brief und las ihn erneut – seine Worte zumindest. Meinen eigenen Text wagte ich nicht anzusehen, fürchtete,
     dass das, was ich vor Monaten mit Liebe und Herzblut aufs Papier gebracht hatte, sich nun gegen mich wenden würde wie der
     eigene Körper bei einer Autoimmunkrankheit.
    Wenn man genau hinsah, ließ der »Erpresser« nicht durchblicken, zu welchem Ziel er mich unter Druck setzen wollte. Er forderte
     nichts, hatte nicht einmal direkt geschrieben, dass ich abreisen solle. Aber wiesollte man die Formulierung
Bleibst du noch länger hier?
in diesem Zusammenhang sonst verstehen, wenn nicht als Aufforderung zu verschwinden? Obwohl ein Zweifel zurückblieb, konnte
     ich mir genau wie Julian keinen anderen Reim darauf machen, als dass man mich vertreiben wollte.
    Im Gegensatz zu ihm hatte ich aber eine vage Vorstellung, was dahinterstecken könnte: die Tatsache, dass ich glaubte, auf
     den Fotos von Mirko Bernd Vollmer und Alina im Hintergrund erkannt zu haben, und dass Vater und Sohn von dieser Vermutung
     wussten.
    Was, wenn – mir wurde flau bei dem Gedanken – beide Fälle, Alinas Tod und dieser Drohbrief, zusammenhingen?
    Langsam, Eva, sagte ich mir, deine Gedanken gehen mit dir durch.
    Es waren sicherlich weit über hundert Leute auf dem Fest gewesen und niemand würde bestreiten wollen, dass Vollmer unter ihnen
     war. Er musste quasi schon aus beruflichen Gründen dort sein. Da konnte er ja wohl mal eine Schülerin fragen, ob ihr der Kuchen
     vom Buffet schmeckte oder ob sie mit der Kollegin noch mehr tolle Stücke in der Tanz-AG einstudiert hätten. Aber sie hatten
     sich offensichtlich sehr intensiv unterhalten. Keineswegs nur so geplaudert. Außerdem: Hatte Mirko nicht im Wald gesagt, sein
     Vater habe das Handy?
    Ich griff nach meinem neuen Tagebuch und schlug die eine Seite mit Notizen auf.
Donnerstagabend: Mirko wird zusammengeschlagen, sagt mir, er habe das Handy nicht dabei (?) , sagt mir, er habe es verloren, sagt mir – sein Vater habe das Handy!,
ergänzte ich. So war’s gewesen,oder? Ich beschloss, mich auf mein Gedächtnis zu verlassen.
    Direkt unter diese Zeilen schrieb ich:
Am Samstagmorgen behauptet Mirko im Beisein seines

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