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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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ging in die Hocke, setzte mich einfach auf den Asphalt.
    Dunstschwaden von Frittenfett zogen über mich hinweg. Mein Blick fiel auf Öllachen, Zigarettenkippen, Spuckeflecken. Aber
     ich musste hier sitzen bleiben. Mir war elendig schlecht. Mir zitterten die Knie. Ich dachte an diese alte Geschichte und
     Erinnerungen brausten ungebremst und wie ein Sturm durch meinen Kopf.
    Auf der Klassenfahrt hatte jemand in alle T-Shirts , Hemden, Hosen und Slips eines bestimmten Mädchens Löcher hineingeschnitten. Ich konnte das Mädchen nicht leiden, sie liebte
     es, mich zu quälen. Ich war an diesem Abend allein auf dem Zimmer gewesen, hatte gelesen und die Minuten gezählt, die die
     verdammte Klassenfahrt, an der teilzunehmen mich meine Eltern gezwungen hatten, noch dauerte. Aber ich hatte dem Mädchen nicht
     die Löcher in die Kleidung geschnitten. Es kam nie heraus, wer es war, aber ich war es nicht gewesen. Die Rache des Mädchens
     und seiner Clique war, ein anderes in der folgenden Nacht so lange zu quälen, bis es sich vor Angst in die Hose pinkelte und
     dann vor lauter Scham fast vom Dach der Jugendherberge gesprungen wäre. Dieses Mädchen, das beschmutzte, schwache, minderwertige,
     das war ich.
    Ich biss mir in die Fingerknöchel. Der Fuchs hatte mich nicht verstoßen, daher brauchte ich mich jetzt auch nicht zu verstoßen.
    Das durfte ich auch nicht. Denn es war nicht mehr zu leugnen: Ich stand bei irgendjemandem auf der Abschussliste. Man hatte
     es auf mich abgesehen. Vielleicht genau so, wie man es auf Alina abgesehen hatte.
    Die Angst nahm mir die Kraft, klar zu denken. In ihrer Gewalt schien mir sogar Julians haarsträubende Vermutung, ein unbekannter
     Irrer, ein fernsehtauglicher Serienmörder sei hinter mir her, nicht unwahrscheinlich.
    Ich wusste: Ich musste dringend mit der Polizei telefonieren. Aber zuerst musste ich Julian suchen und ihn bitten, mich in
     Sicherheit zu bringen. Obwohl unser Vertrauensverhältnis inzwischen zerstört war, war er immer noch der einzige Mensch hier,
     an den ich mich wenden konnte und wollte. Ich brachte es aber nicht fertig, wieder ins
Tropic
hineinzugehen und mich den Blicken der anderen auszusetzen. Es nutzte nichts, dass ich mir vernunftmäßig zuredete, keiner
     würde das, was der DJ vorgelesen hatte, mit meiner Person in Verbindung bringen. Auch dass die meisten wohl eh nicht zugehört
     hatten, dass das Ganze sicher kaum jemanden interessierte und ganz bestimmt nicht jeder über mich lachte, konnte mich nicht
     umstimmen. Ich war gelähmt, hatte einen Aussetzer, wie immer man es nennen wollte: Ich konnte einfach nicht ins
Tropic
zurück. Es ging nicht. Der Zwiespalt von Müssen und Nicht-Können zerriss mich, er machte mich rasend und noch panischer: Wie
     konnte ich mir nur selbst so im Wege stehen?

27
    »Eva?« So zaghaft die Stimme war, so sehr erschreckte sie mich.
    Sofort sprang ich auf, fluchtbereit.
    »Ich bin’s, Mirko.«
    Ein erleichtertes Piepsen entwich meinem Mund. Mirko kannte ich. Vor ihm wie ein verlachtes hässliches Entlein dazustehen
     war erträglich, denn er gehörte selbst zu dieser Spezies.
    Vorsichtig berührte er meinen Arm. »Ich hab gehört, was der DJ vorgelesen hat. Zwar habe ich nicht ganz verstanden, was dieser
     angebliche Liebesbrief sollte, aber als ich gesehen habe, wie du rausgerannt bist, war mir sofort klar, dass es eine Sauerei
     sein muss.«
    Ich kämpfte mit den Tränen. »Jemand hat mein Tagebuch gefunden und macht sich einen Spaß draus, Teile davon zu veröffentlichen.«
    Mirko schwieg eine Sekunde. Dann sagte er, als würde er meine Gedanken kennen: »Komm, ich bring dich hier weg, oder willst
     du da etwa noch mal rein?« Er hakte sich entschlossen bei mir unter und zog mich zu dem ganz in der Nähe geparkten Jeep.
    »Aber   …«, protestierte ich überrumpelt.
    »Nichts aber! Hat Julian sich das ausgedacht?«
    »Julian???« Ich blieb stehen, direkt vor dem Auto.
    »Ich kenne ihn lange und gut. Anfangs kann man sich nicht vorstellen, auf was für hinterhältige Gedanken er manchmal kommt.
     Du denkst, er ist dein Freund, und das ist er auch, aber wehe, er kriegt den Eindruck, dass du ihm nicht so viel nutzt, wie
     er es sich wünscht. Dannlässt er dich nicht nur hängen, dann macht er dich fertig.«
    Ich konnte nicht antworten, hatte das Gefühl, der Parkplatz, auf dem ich stand, sei unterkellert und der Asphalt schwinge
     zum Dröhnen der Discobässe hin und her.
    Mirko öffnete die Beifahrertür. »Ich habe

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