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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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gelesen, als der Blumenstrauß kam, und gedacht: Ist das eine Bosheit? Doch Babba erklärte, es ziele auf Les immortels der Académie française ab. Sie nannten sich immer noch so und trugen bei feierlichen Anlässen kleine Degen.
    »Ich glaube, Gustav der Dritte hat alles nur nachgeahmt, als er seine Akademie gebastelt hat«, sagte Babba. »Also bist du jetzt, hol’s der Teufel, unsterblich.«
    In dieser Morgendämmerungsstunde dachte Lillemor bei Unsterblichkeit nicht an Marmorbüsten und ehrenvolle Grabstätten in irgendeinem Pantheon. Sie dachte vielmehr daran, ein hohes Alter erreichen zu können. Steinalt, das Gesicht voller Furchen, mit hängender Unterlippe, womöglich sabbernd und mit Gebiss, dünne, knotige Beine in großen Schuhen und knochige Hände, auf denen sich unter papierdünner Haut blaue Venen schlängelten. Mit frischer Dauerwelle würde sie in einem steifen neuen Kleid dasitzen und Geburtstagsaufwartungen, eine Torte, Blumen und die ehrerbietige Huldigung eines jungen Akademiesekretärs entgegennehmen. Nichts mehr würde sie dann können, nicht mal mehr Dankeskarten schreiben. Tüchtiges Mädchen, hatte Sune am Abend zu ihr gesagt. Sie war vierundvierzig, und schlimmstenfalls hatte sie noch mehr als fünfzig Jahre in dieser Situation vor sich.
    Sie schrieb die nächste Karte und die übernächste. Mag sein, dass sie nichtssagend gerieten, aber man bedankt sich nun mal für Blumen und Glückwünsche. Das macht man immer so. Ihre Schrift, vor Schlafmangel tattrig, wurde allmählich sicherer.

Mühlsteine Blendwerk
    Vom Küchenfenster auf Lostgården aus sah ich Sune mit seinem großen grünen Volvo zur Arbeit nach Borlänge fahren. Es war am Vormittag gegen zehn Uhr, und ich machte mich sofort auf den Weg zu Lillemor hinunter. Ihre Tür stand offen, aber sie war nicht im Haus. Die Blumen in der großen Stube waren alle weg, und nur die Karten, die den Sträußen beigegeben waren, lagen fein säuberlich auf dem Tisch aufgereiht. Die Vasen, Kannen und Einmachgläser, in denen die Sträuße gestanden hatten, türmten sich in der Spüle.
    Das Telefon klingelte und klingelte immer wieder, da niemand abhob. Schließlich ging ich in die Stube und nahm den Hörer ab. Es war Astrid Troj. Mit nur einem Tag Verzögerung hatte die Nachricht an diesem Morgen die spanische Sonnenküste erreicht.
    »Wo ist Lillemor?«, rief sie lautstark.
    Dann hatte sie wohl mitbekommen, wer am Apparat war, denn sie sagte in einem völlig anderen Ton: »Du? Was machst du denn da?«
    Und dann wieder in höherem Register: »Meine Güte, ich muss mit meiner Kleinen sprechen! Meinem wunderbaren, kleinen tüchtigen Mädchen!«
    Sie sagte, sie sei von guten Freundinnen umgeben, und ich hörte ihr Gegacker, als sie auf Lillemor tranken. In Fuengirola fing man offensichtlich früh an.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte ich und legte auf. Das alte Telefon hatte keinen Stecker, also packte ich zwei Sofakissen darauf. Dann ging ich hinaus, um Lillemor zu suchen. Als ich entdeckte, dass das Boot weg war, wurde mir angst.
    Was ich dachte, wollte ich nicht wahrhaben, und doch drang es in mich ein, als käme es von außen, und mir wurde speiübel. Ich musste fortwährend Speichel schlucken und hatte einen säuerlichen Geschmack im Mund. Es gab niemanden, mit dem ich mich schlagen konnte, obwohl ich, weiß Gott, egal wem, so richtig eins hätte reinhauen können. Wen hätte ich denn anklagen sollen? Was einmal als großer Spaß begonnen hatte, war krank geworden. Konnte jetzt jäh in ein schwarzes Loch abstürzen. Mitten in allem schoss ein Kuckuck aus der Küchenuhr und kuckuckte. Ich drosch derart darauf ein, dass das Uhrengehäuse mit dem geschuppten Dach zu Boden fiel, noch eine Weile surrte und schließlich verstummte. Dies brachte jedoch keinerlei Erleichterung, und ständig rumorte unter den Kissen dumpf das Telefon.
    Wäre ich Raucherin gewesen, hätte ich geraucht, hätte ich einen Kaugummi gehabt, hätte ich gekaut. Vom bloßen Gedanken an Kaffee wurde mir nur noch übler.
    Es war eine Stunde des Todes. Oft habe ich mir schon gedacht, dass Leute sehr schnell sagen, sie würden nichts bereuen. Wie ist das möglich?
    Ich begann, am Ufer herumzulaufen, unschlüssig, ob ich den Rettungsdienst oder Sune alarmieren sollte. Oder die Polizei? Ich stolperte über die Ufersteine, die Wellen in Millionen von Jahren geschliffen hatten. Trotzdem konnte ich die Sache nicht unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit betrachten. Wir sind zwar

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