Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
Vom Netzwerk:
und um die Taille einen strammen roten Elastikgürtel.
    »Ach herrje, stimmt«, erwiderte sie. »Und eine schwarze Jacke mit beinernen Knöpfen, die mir zum Glück in der Uni gestohlen wurde. Vor dem Hörsaal zehn. Damals war ich verzweifelt, weil ich so wenig Geld hatte, aber das wäre nicht nötig gewesen. Es war ohnehin nur ein Fetzen.«
    Wie üblich ging es um Kleidung, wenn sie sich selbst betrachtete.
    »Uppsala ist schrecklich«, sagte sie. »Man fühlt sich unerwünscht, wenn man hinkommt. Ich glaube, so ist es zu erklären, dass ich viel zu viele Stunden mit einem seelisch und körperlich weichhäutigen und nachgiebigen und ständig schnapsdurstigen Schlafsüchtigen verbracht habe. Oder mit seinen ungewaschenen und verkaterten Freunden auf dem Dachboden der Studentenvereinigung. Einer hieß Necklund, der hatte eine Molluske in einem Einmachglas.«
    »So hat der bestimmt nicht geheißen«, sagte ich nach ihrem Ausbruch.
    »Er wurde so genannt, ich habe nie einen anderen Namen für ihn gehört. Und er hatte eine ewige Verlobte, die hieß Goldie. Jedenfalls sagten das alle zu ihr, sie wusch sich nie die Haare und hatte Glupschaugen. Sie hat ebenfalls getrunken. Ansonsten hatten die meisten ständig wechselnde Weibergeschichten und eine Menge Sorgen, weil sie dem Oberkellner vom Gillet Geld schuldeten. Alles war darauf angelegt, Geld für den nächsten Kneipenbesuch aufzutreiben. Schlimmstenfalls gab es nur Bauernfrühstück und ein paar Schnäpse in einer Bierkneipe. Häufiger aber Chateaubriand mit Sauce béarnaise im Gillet.«
    »Ich kann kaum glauben, dass du mit solchen Wracks zusammen warst. Es entspricht nicht meinem Bild von dir.«
    »Nein«, sagte sie. »Denn du bist mir erst begegnet, als ich Rolf kennengelernt hatte. Verglichen mit diesen Gangs aus den Studentenheimen Arkadien und Karthago, war er frisch wie eine Flasche Vichywasser.«
    »Na ja, Abstinenzler war er auch nicht gerade.«
    »Nein, aber sauber und ordentlich. Er gab seine Hemden zur Wäsche und hatte ein aufgeräumtes Zimmer mit einem blau gestreiften Flickenteppich auf dem Boden und Büchern auf zwei langen Regalbrettern, die auf Ziegelsteinen lagen. Ich wohnte in einer Mietskaserne hinterm Vaksala Torg, habe von meinem Studiendarlehen Gebäck gegessen und neue Make-up-Effekte ausprobiert. Gegen Ende des Monats habe ich gehungert.«
    »Ach was!«
    »Doch. Ich habe mein Geld für idiotische Klamotten und eben für Gebäck ausgegeben. Rolf regelte alles für mich. Er ordnete meine finanziellen Verhältnisse. Er war ja immer schon ökonomisch vernünftig.«
    Das wusste ich. In dem Frühjahr, als die Fahrten nach Stockholm sie so stressten, war ihr herausgerutscht, dass sie sich wie eine Maschine vorkomme, die eine bestimmte Anzahl Schecks pro Jahr produzieren müsse, weil Roffe sonst um ihre offenen Rechnungen bange.
    »Glaubst du, ich werde, wenn ich alt bin, mein Leben wie einen Haufen peinlicher alter Fetzen betrachten?«
    »Warum solltest du?«
    »Weil ich meine erste Zeit in Uppsala jetzt so sehe. Man bekommt einen bösen Blick.«
    Es juckte mich, darüber zu schreiben. Über Arkadien und Karthago und Necklunds Molluske. Das war ein anderes Uppsala als dieses gediegene akademische Milieu, das wir in unserem ersten, später verworfenen Krimientwurf zusammengebastelt hatten. Aber Lillemor wollte nicht. Sie zimmerte sich gerade ein völlig anderes Bild von sich selbst und ihrer Jugend zurecht. In Uppsala hatte sie allmählich mit dem Leben zu flirten begonnen. Härnösand lag zu nahe an Kramfors, dort war sie nicht unbefangen gewesen. Doch einmal einquartiert im Studentinnenheim Parthenon in der Sankt Johannesgatan, mit Rolf Nyréns Porträt auf der Kommode, machte sie aus der schönen alten Residenz- und Bischofsstadt Härnösand eine Heimatstadtkulisse. Als sie Interviews zu geben begann, war diese Kulisse noch ausgebaut worden. Tempelmans Gymnasium mit der Säulenapsis, Ludvig Nordströms pittoreske Viertel mit den hölzernen Bruchbuden und verträumten alten Gärten, wo sie mit Bertil Malmbergs Åke in die Vergangenheit sank – all das fügte sie ein.
    Sie log nicht rundheraus, denn das gab es dort ja alles, und sie hatte in Härnösand das Gymnasium besucht, wenn auch eines ohne Säulen. Sie radierte nur ein klein wenig in ihrer Lebensgeschichte, um unser Image aufzubauen. So hieß das damals, glaube ich zumindest. Aber es ist schwierig, sich an das Jahr oder auch nur an das Jahrzehnt zu erinnern, in dem ein Terminus zum Schlagwort

Weitere Kostenlose Bücher