Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
hätte er doch beinahe einen akademischen Abschluss gemacht. Als er in zweiter Ehe eine Grundschullehrerin heiratete, sah die Verwandtschaft darin seine Rettung. Aber er floh vor der Frau und der Abstinenz nach Paris, wo er sich nach einem einwöchigen Besäufnis von der höchsten Galerie in einem weihnachtlich geschmückten Kaufhaus stürzte. Ich weiß nicht mehr, ob es Lafayette oder Printemps war.
Warum erzählte sie so viel von ihm? Und warum hatte sie noch immer das Bild von Brigitte Bardot in der Brieftasche? Ich hatte nachgeguckt, als sie es nicht sah. Mir war nicht wohl dabei, dass sie es dort stecken hatte. Der Onkel, genauer sein Tod, beunruhigte mich ebenfalls.
Zurück in Uppsala rief sie mich eines Nachmittags weinend an. Sie sollte am Abend ein Essen geben und war in die Stadt gefahren, um in der Markthalle am Sankt Eriks Torg Mastkalbsbraten und bei Hellqvist im Domtrappshuset Räucherlachs zu holen. Geparkt hatte sie zwischen dem Dekanhaus und der Dreifaltigkeitskirche, und beim Ausparken hatte sie den Wagen rückwärts an einen Laternenpfahl gesetzt. Sie hatte es natürlich zu eilig. Sie hatte es immer zu eilig.
Ich nahm den Bus, denn sie sagte, sie wage nicht mehr zu fahren, und fand sie schließlich mit dem Lachs und dem Kalbsbraten und einer Menge Blumen in ihrem Volvo Amazon. Es war heiß, und sie saß da und ließ den Kopf hängen. Sie weinte nicht mehr, hatte aber verquollene Augen. Das Problem war, dass sie das Auto nicht in die Werkstatt in Boländerna bringen wollte, wo sie immer die Inspektion machen ließen, da Roffe dann früher oder später dahinterkommen würde, dass es einen ordentlichen Schlag abgekriegt hatte und ein Rücklicht eingedrückt worden war.
Hatte sie Angst vor Roffe? Nein! Aber er sei so sparsam, und darum sei es das Beste, er würde von dieser Sache gar nichts erfahren. Könnten wir denn nicht zu meiner Werkstatt nach Valsätra fahren?
Ich fuhr sie in ihrem Amazon zu Bengans Kfz-Werkstatt, die zwar eher einem Schrottplatz glich, wo Bengt (so nannte ich ihn immer) den Wracks aber noch Verwendbares entnehmen konnte. Ich war doch nicht so blöd und brachte meinen gebrauchten VW zur Inspektion in eine teure Vertragswerkstatt. Lillemor hatte wohl gehofft, Bengt würde ein schnelles Wunderwerk vollbringen, doch er sagte, er müsse das Auto wenigstens über Nacht dabehalten. Also kutschierte ich sie mit dem Kalbsbraten und allem Drum und Dran nach Eriksberg.
»Dann musst du ja noch mal dorthin«, sagte sie. »Und anschließend auch noch mit dem Bus nach Hause fahren.«
»Das lass nur meine Sorge sein.«
Ich fuhr wieder nach Valsätra hinaus zu Bengt, der sich nur mir zuliebe bis spät am Abend an dem Amazon zu schaffen machte. Danach kam er ins Haus, und da hatte ich Bratkartoffeln und geräucherte Bratwurst gemacht und ein Glas Rote Bete hingestellt. Wir genehmigten uns einen Schnaps zum Pilsner, und dann zog er den Overall aus und umfing mich mit seinem warmen Ölgeruch. Alles war wie immer, und Lillemor hatte nichts begriffen.
Als ich ihr tags darauf das Auto brachte, lud sie mich zum Mittagessen ein. Es roch stark nach Levkojen in ihrer Wohnung, wo inzwischen ein Sofa im Karl-Johan-Stil aus dem mittlerweile aufgelösten Haushalt des Generals stand. Der war schließlich und endlich gestorben.
Wegen des Zigarettenrauchs vom Vorabend hatte sie ihr Dinnerkleid zum Lüften auf den Balkon gehängt. Als sie es hereinholte, hielt sie es sich an und sagte, dass es so nicht besonders aussehe, aber es habe an den Hüften eine Drapierung und einen ziemlich tiefen Rückenausschnitt. Es war aus schwarzem Stoff, türkis und blau geblümt und wirkte steif. Bei abendlicher Beleuchtung sah es vielleicht besser aus, aber als sie es im grauen Vormittagslicht hochhob, war die Hüftdrapierung platt.
»Möchtest du dir mein Abendkleid anschauen und mir sagen, ob ich es zum Ball des Juvenalordens anziehen kann?«
Ich konnte ja nicht gut sagen, dass mir ihre langen Kleider genauso egal waren wie Roffes Frack und seine Blechmedaillen. Sie wartete aber erst gar keine Antwort ab, sondern holte es sofort aus dem Schlafzimmerschrank. Es war rosa und raschelte, als sie es hereintrug. Ich starrte es gehörige Zeit an und sagte, dass es durchaus fein sei. Ich weiß nicht recht, was sie erwartet hatte. Jedenfalls war sie enttäuscht und hängte es wieder weg.
»Ich muss mir ein neues anschaffen«, sagte sie, und es klang, als redete sie mit sich selbst.
Es war noch etwas Lachs da, und wir aßen
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