Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
auch in Scheiben geschnittenen kalten Braten mit gebräunten Kullerkartoffeln und dem Rest der Sauce. Sie meinte, kein Räucherlachs reiche an den von Hellqvist heran, und ich erwiderte, mir sei schleierhaft, warum sie überhaupt im teuersten Laden der Stadt Fisch kaufe. »Das macht man eben so«, sagte sie.
Es war ein einmaliges Ereignis, dass ich ihre Vierzimmerwohnung zu sehen bekam, das war mir klar. Ich glaube nicht, dass sie mich jemals eingeladen hätte, wenn Roffe nicht verreist gewesen wäre. Ich schaute mir deshalb alles genau an: das dänische Sofa mit einem Untergestell aus Teak, den Kristalllüster über Roffes ererbtem Tisch, die hellgelben Gardinen, die über das halbe Fenster drapiert und zu einer kleinen Rosette zusammengefasst wurden, die in einer Halterung aus goldfarbenem Holz saß. Ich starrte einen hochmodernen Sessel in Rot und Schwarz an, und Lillemor erklärte, er sei vor ein paar Jahren Teil einer Inszenierung des Studententheaters gewesen.
»Sie haben allerdings einen Brandfleck in den Bezug gemacht«, sagte sie. »Ich musste ihn also neu beziehen lassen.«
Die Mischung aus hypermodern und alt fand ich seltsam, aber sie wollte es wohl so haben.
»Und worüber unterhaltet ihr euch?«, fragte ich.
»Ach weißt du, wir unterhalten uns über alles! Im Moment vorwiegend über seine Dissertation.«
»Nein, ich meine bei so einem Essen, wie ihr es gestern Abend hattet.«
»Ach so, du sammelst Stoff!« Sie lachte und lehnte sich zurück, dachte nach und sagte, das Gespräch sei von einem Thema zum anderen geflattert. Von den Kampfflugzeugen J28 zur Zerebralparese. Von Stuhlgangsriten bei Negerstämmen zu Intrigen in den höheren Schichten der Pfingstbewegung.
»Erzbischof Brilioth kam auch aufs Tapet. Außerdem Alkoholkater, Nekrophilie und Gewitter. Ach ja, die Probleme ehelichen Zusammenlebens – wer kriegt morgens zuerst die Zeitung. Und dann natürlich die Kongofrage. Und es war recht viel die Rede von Rolfs Dissertation, da sein Professor dabei war. Er steckt jetzt so richtig im Thema drin, und das ist ungeheuer anregend und interessant. Wie du, wenn du schreibst.«
Nie und nimmer, dachte ich, sagte aber nichts. Von Roffes Dissertation wollte ich nichts hören. Alles andere schrieb ich hinterher auf, es steht auf einer Karteikarte. Was mir von diesem Nachmittag aber wirklich in Erinnerung geblieben ist, habe ich nicht aufgeschrieben: dass Lillemor redete und redete und wirklich allen Ernstes die Frage stellte: Wie oft sollte es einem Mann erlaubt sein, mit seiner Frau zu schlafen?
Und ich verstand es nicht. Verstand es tatsächlich nicht. Obwohl ich ja eigentlich wusste, dass sie Schmerzen hatte und es seit der Operation nach ihrer Eileiterschwangerschaft mit jedem Monat schlimmer wurde.
Es kann im Sommer 1962 gewesen sein. Sie pendelte wie üblich nach Stockholm und arbeitete. Keine Ahnung, wie sie das geschafft hat, denn die Feste konnten bis zwei Uhr nachts dauern. Sie ging in diesem Jahr auf den Oscarsball, denn sie war jetzt Schwester im Juvenalorden. Gustafsson & Trojs Kunststoffboote waren so gut gegangen, dass Astrid das Kleid bezahlte. Die Eltern, die hoch setzten, betrachteten Lillemor als einen reinen und blanken Spielstein. Oder auf jeden Fall einen aufpolierten, nachdem die bedauerliche Episode auf Station 57 fast vergessen war. Und schließlich war sie ja mit einem Professor in spe verheiratet. Das glaubten sie zumindest. Also durfte sie sich jetzt ein neues Ballkleid kaufen.
Sie traf sich mit ihrer Mutter in Stockholm am Hauptbahnhof, und sie gingen zunächst zu NK. Aber da fanden sie nichts Geeignetes, also zogen sie weiter zu Leja und wählten unter Kleidern mit Namen wie Gilda, Red Fire, Paulette, Christiansborg und Slottsbal. Die Verkäuferinnen trugen alle schwarze Kleider und Perlenketten. Zur Anprobe wurden Astrid und Lillemor in einen Salon mit Kristalllüster und Stühlen mit Petit-Point-Bezug dirigiert. Dort entschieden sie sich für Christiansborg, ein Krinolinenkleid aus apfelgrüner Duchesse. Es war schulterfrei, hatte eine Toreadorschärpe und eine Turnüre in Form langer balmaininspirierter Rosettenenden, die sich lösen und über die Schulter legen ließen und so zum Schal wurden. Es kostete annähernd tausend Kronen, und nachdem Astrid bezahlt hatte und ihnen der Karton ausgehändigt worden war, gingen sie zu NK zurück, kauften Goldsandaletten mit hohen, sehr schmalen Absätzen und fuhren dann nach oben zu Bobergs Matsalar, wo sie an einem Tisch
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