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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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vorübergleiten.
    Nun bin ich in keine geologisch geformte Spalte gerutscht, stellt Lillemor fest, sondern ich habe mir meine Fanggrube selbst gegraben, und das Leben hat eine Sprengfalle darübergelegt, die so verführerisch und realistisch angeordnet war, dass ich glaubte, mich auf ebenem Gelände zu bewegen.
    Im Magazin Forskning & Framsteg hat sie gelesen, dass der freie Wille nicht existiere, die Zeit sowohl rückwärts- als auch vorwärtsgehen könne und Ursache und Wirkung nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Das spielt sich jedoch auf dem Energieniveau ab; hier, wo sie über trügerisch ebenes Gelände trottet, ist das eine ganz andere Sache. Hier ist gestern ein schönes Kristallglas zu Bruch gegangen, weil sie es auf die Steinplatte vor dem Herd hat fallen lassen. Das Glas hing nicht in der Luft, um etwas zu sein, was sowohl geschehen als auch nicht geschehen war, und die Ursache dafür, dass es ihr aus der Hand in dem nassen, spülmittelglatten Handschuh glitt, war sonnenklar, ebenso der freie Wille, aus dem heraus sie es hervorgeholt hat, um sich an einem schmutzig grauen Herbstabend mit der Schönheit des Glases um einen tiefroten Wein aufzumuntern. Auf ihrem Heimweg hatten die Dohlen um die Hedvig-Eleonora-Kirche gekreischt, und sie hatte natürlich gedacht: Hier hat sich gestern jemand erschossen. Sie hatte jedoch nicht geahnt, dass sie am nächsten Tag mit einer so einfachen Zeitmaschine wie einem Roman brutal und magisch in das Uppsala der Dohlen, der Dichter und des Selbstmords versetzt werden würde.
    Als sie mit einem Glas Wein, diesmal sicherheitshalber einem gewöhnlichen Trinkglas, zum Bett zurückkehrt, weiß sie, dass sie wieder an Bord dieser Maschine geht und davon so leicht woandershin versetzt werden wird, als ob sie von Aufwinden und Heliumgas zu Gefilden getragen würde, in denen sie einst war und die sie sehr wohl wiedererkennt. Gleichzeitig aber sind sie so falsch wie gemalte Pappkulissen in einem alten Theater. Und dann: Stellenweise genießt sie es sogar, die Lillemor Troj in diesem Roman zu sein, jedenfalls solange sie liest, und sie wünscht jedem Menschen dieses prickelnde Erlebnis, den Roman über sich selbst zu lesen.
    Genau das ist mein Fehler, denkt sie. Ich genieße das Prickeln.

Tümpel Schwärze Lehm
    Es war jetzt dunkler Herbst. Eines Nachmittags rief mich Lillemor an und sagte, ich solle sie zu dem Sumpf hinter der Ziegelei begleiten. Den gab es aber gar nicht mehr, weil dort Mietshäuser gebaut werden sollten und die Ziegelei, in der die Landstreicher geschlafen hatten, abgerissen war. Sie klingelten nicht mehr bei mir, um ein belegtes Brot und ein paar Kronen für ein Pilsner zu bekommen.
    Lillemor kam trotzdem, und sie hatte Kartons auf dem Rücksitz.
    »Gibt es keinen anderen Sumpf?«, fragte sie. »Oder einen Tümpel oder so. Ich will ein paar Sachen loswerden.«
    Ich hielt die Müllhalde für den richtigen Ort, doch sie fürchtete, dass die Sachen dort zu sehen wären. Womöglich würde jemand darin herumschnüffeln, sodass sie wieder auftauchen könnten. Lillemor wollte sie endgültig versenken. Das hörte sich unheimlich an, und ich sagte, man sei versucht zu glauben, sie habe eine zerstückelte Leiche in den Kartons.
    »Habe ich auch«, erwiderte sie.
    Bei der Kate gebe es einen Tümpel, schwarz und tief, erinnerte ich sie. Und so fuhren wir hin, fünfundvierzig Kilometer auf der schnurgeraden Straße für die Holztransporter und anschließend auf der kurvenreichen Straße unter den Eichen, an denen noch ein paar Blätter hingen. Wir hatten belegte Brote dabei, die wir essen wollten, nachdem alles erledigt wäre, doch wenn wir in der Hütte Kaffee trinken wollten, mussten wir gleich jetzt den Küchenherd einheizen, da er ausgekühlt war.
    Wir vergaßen, in der Rußklappe zusammengeknülltes Zeitungspapier anzuzünden, deshalb qualmte es in den Raum. Es war auch schwierig, Brennholz zu holen. Im Schuppen war es stockfinster, und es gab kein Licht. Das ganze Unternehmen hatte etwas Wahnsinniges an sich. Lillemor schlüpfte in eine gestreifte Strumpfhose, die sie in einer Kommodenschublade gefunden hatte, mummelte sich in zwei dicke Pullover und zog ihren Mantel darüber. Trotzdem fror sie. Sie klang auch nicht wie sonst.
    Schließlich brannte das Feuer im Küchenherd einigermaßen zuverlässig, und wir machten uns daran, die Kisten zu dem Tümpel zu schleppen. Es hatte aufgefrischt, und Wolkenfetzen trieben in einem grauen Strom über den Himmel, manchmal

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