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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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tat. Er glaubte, Deine Schöpfung sei voller blauer Meeresbuchten, die niemals ein Ende nähmen. Dem Otter, dem Lachs und Emil erging es schlecht. Herr, in Emil ist toter Grund. Du vergibst ihm wohl, aber kannst Du auch meinem Vater und meiner Mutter vergeben, die abendelang unter der Leuchtstoffröhre am Küchentisch saßen und lasen?

Babba nörgelt an der Sozialdemokratie herum.
Eine andere politische Idee hat sie nicht, nie gehabt, und darin gleicht sie den meisten schwedischen Autorinnen und Autoren. Sie kicken die Sozialdemokratie herum, als wäre sie ein Ball. Aber ist sie denn nicht eine geplatzte Tüte?
    Wird Babba nie von Panik ergriffen? Bald ist das Leben zu Ende, und dann wird die Welt erlöschen, ohne dass Leute wie sie von deren Weite und Tiefe wirklich etwas erfahren haben. Außer vielleicht nach dem Krieg, als man zu reisen begann. Lillemor kann sich noch an die Hallen in Paris erinnern: an den Geruch nach Blut, die Glätte auf dem matschigen Boden und an den Geschmack einer leicht grauen Zwiebelsuppe, in die ein dickes, ebenso graues Stück Brot getaucht war. Und gleichzeitig – oder war es später? – in der Rue des Abbesses an arabische Sprachlaute aus tiefer Kehle und an verschlossene, dunkle Gesichter über einem Teller mit Couscous. Sie erinnert sich an die Leichen, die aus der Seine gefischt wurden und tagtäglich die kleine Notiz bekamen, dass ein homme de type nord africain erstochen oder erschossen gefunden worden sei. Sie erinnert sich an das Café, das sie nach einer Woche ihr Stammcafé nannten, das eines Morgens aber ausgebrannt und zerschossen war, die Wände voll eingetrockneter Blutkaskaden. Sie erinnert sich, wie sie vor einer Schießerei bei der Madeleinekirche davonlief und mehr Angst vor der Polizei als vor den algerischen OAS-Leuten hatte, deren Auto abgedrängt worden war.
    Sie war in Paris, als Dag Hammarskjöld bei einem Flugzeugabsturz im afrikanischen Ndola starb. Es war spät im September und trotzdem dreißig Grad heiß, als die Schlagzeilen herausschrien: MONSIEUR H SE TUE EN AVION!
    Die Franzosen nannten ihn nach dem Initial seines Namens Monsieur Asch, und er war in Frankreich ebenso verhasst wie in Belgien. Lillemor erinnert sich, wie sie und Rolf in der Hitze auf der Schattenseite der Straße zum Hotel rannten, um im Radio mehr über den Absturz zu hören. Die feuchtwarme Luft und der weiche Asphalt verstärkten das Gefühl der Unwirklichkeit. Die Schlagzeilenaushänge von vor dem Unglück hingen noch: GO HOME MONSIEUR H! Die Franzosen wollten nicht, dass er sich in die Geschäfte und den Krieg im Kongo einmischte.
    Die französischen Zeitungen schrieben, seine Maschine sei abgestürzt und habe Feuer gefangen, aber kein Wort von einem Attentat. Selbstverständlich glaubten Rolf und sie, dass er erschossen worden war. Wie Folke Bernadotte ja auch. Das war ihre Logik.
    Sie erinnert sich, dass Rolf einen unfreundlichen Nekrolog in die Finger bekam, der Hammarskjöld als »einen Mann mit einigen wenigen Freunden« beschrieb, und dann lasen sie bestürzt einen gehässigen Angriff im Paris Jour . Paris Presse brachte einen höhnischen Nachruf: »Er war ein als Pfadfinder verkleideter Machiavelli, der stets so aussah, als wäre er eben dem Bad entstiegen.«
    Für uns war er der Mann der lauteren Absichten, denkt Lillemor. Seine Gestalt war das Emblem unseres schwedischen Gefühls, auf dem richtigen Weg zu sein. Wenn die Welt Hammarskjöld tötete, war sie ein Dreckloch und sonst nichts. Wir fuhren nach Hause und verfolgten vom Gehsteig aus den Trauerzug in Uppsala. Alles ging wieder mit rechten Dingen zu. Gewaltsames und Unbegreifliches waren kein Teil von uns, und wir gehörten der Welt nicht anders an, als wenn wir in den USA ins College gingen, so wie Rolf, ein paar Jahre bevor Lillemor ihn kennengelernt hatte. Damals erhielt er jene Dosis Entwicklungsoptimismus, die ihm in seiner Karriere Halt verleihen sollte.
    Wir waren das Volk der lauteren Absichten, dessen Autorinnen und Autoren zwar über ihre Sozialdemokratie nörgeln konnten, ihr im Grunde aber Treue erwiesen.
    Rein geografisch hat Lillemor später jedenfalls die Weite der Welt erlebt, dann aber ohne Alltäglichkeit, Gewalt und Schmutz. Babba hat ihres Wissens keine andere Welt als die um sich herum erlebt, in die sie hineingeboren wurde und an der sie sich festbiss. Keine Wiederaufbauarbeit im Nachkriegseuropa gemeinsam mit idealistischen Jugendlichen. Kein amerikanisches College mit einem Hauch von

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