Schwingen der Lust
durch den roten Schleier vor ihren Augen zu sehen, wie die Zeichnung, die von seiner Brust zu seinen Schultern lief, in einem rotfeurigen Ton aufflammte ...
A-Z-A-Z-L
... und dann wieder verschwunden war, als hätte es sie nie gegeben.
Sein Blick fing den ihren auf und schien damit zu verschmelzen ... und plötzlich war da nur noch Lust ... und Vergessen.
TEIL 2
DER SERAPH
6. KAPITEL
Wiedersehen
Ba’Al’T’Azar fühlte den Nachtwind unter seinen mächtigen Schwingen und hätte beinahe laut aufgeschrien vor Freude. Fast fünftausend Jahre waren vergangen, seit er diese Form das letzte Mal angenommen hatte, um sich im Krieg gegen die Angu’Gal, die Gefallenen Wächter, frei auf der Erde bewegen zu können. Damals, als Caphtor für immer in den Fluten versank. Eben jenen Fluten, die jetzt still und glatt weit unter ihm im Licht der Sterne glitzerten.
Er klappte die weiten Flügel zusammen und setzte zum Sturzflug an. Steil und immer schneller werdend, jagte er in die Tiefe herab und genoss den Zug der Luftwirbel an seinen breiten Schultern, der Brust und an den Schenkeln. Ein lustvolles Knurren entsprang seiner Kehle.
Erst im letzten Moment breitete er seine Schwingen wieder aus, um den Sturzflug gerade noch rechtzeitig abzufangen und nun nur wenige Meter über der Meeresoberfläche dahinzugleiten. Er senkte den Blick, um sich im Spiegel des Wassers zu betrachten. Sein Gesicht war das eines schwarzen Panthers, aber sein Leib war der eines Menschen, wenn auch überall mit dichtem, glänzendem Fell bedeckt. Links und rechts ragten gewaltige Stierhörner aus seinem Haupt, und seine Hände und Füße waren die Klauen eines Raubtiers.
Mit einem dunklen Lächeln erinnerte er sich daran, wie sein Anblick damals Furcht und Schrecken verbreitet hatte unter den Menschen. Aber da war auch Anbetung gewesen ... und Begierde. Ja, an die Begierde, die er und seinesgleichen in den Menschen wecken konnten, erinnerte Ba’Al’T’Azar sich ganz besonders gerne.
An all die Frauen, die ihm damals nur zu willig zu dienen bereit gewesen waren.
Ihm und seinem Hunger. Dieser brennenden Gier. Schon bald würde er sie wieder an ihnen stillen. Mit großer Freude. Doch für den Moment gab es Wichtigeres zu tun.
Er schlug fest mit den Flügeln, dass das bis eben ruhige Meer unter ihm sich zu Wellen aufpeitschte, und gewann damit schnell wieder an Höhe. In einer weiten Kurve lenkte er seinen Flug nach Süden und beschleunigte. Schon bald hatte er das Festland erreicht. So endlos wie zuvor das Meer erstreckte sich nun die Sahara unter ihm.
Stilles Land, bedeckt vom Sand der Jahrtausende. Hier hatte er seine letzte Schlacht ausgetragen. So lange her - und doch kam es ihm vor, als sei es gerade erst gestern gewesen.
Er wandte seinen Blick gen Südosten und fand am nächtlichen Horizont schon bald, was er suchte. Wie ein dünner Faden flüssigen Silbers schlängelte sich der Nil weit in der Ferne. Ba’Al’T’Azar korrigierte seinen Kurs hin zu dem Fluss, und als er ihn erreichte, folgte er seinem Lauf gegen die Strömung nach Süden.
Nach einer Weile traf er auf die Gabelung, wo der Weiße und der Blaue Nil zusammenfließen und flog nach links, den Blauen hinauf, bis das Hochland von Abessinien vor ihm lag, das er aus seiner Zeit hier auf der Erde noch als Grenzgebiet des Königreiches von Sheba kannte. Mit einigen weiteren kräftigen Flügelschlägen gewann er an Höhe und glitt dann über das zerklüftete Plateau hinweg, wie ein Falke auf der Suche nach Beute. Aber es war nicht Beute, die Ba’Al’T’Azar suchte. Es war Wissen. Und dieses Wissen war nicht mehr weit. Es wartete auf einer Insel in einem See vor ihm - auf Dek Deset im See von Tana. Doch er würde es nicht ohne Kampf erhalten.
Mit einem finsteren Grinsen legte er seine Klauen auf die Griffe der beiden Schwerter in seinem Gürtel. Er hatte sie schon viel zu lange nicht mehr benutzt.
Lautlos landete er am felsigen Ufer des Sees und richtete den Blick seiner eisig blauen Augen gen Osten: in Richtung der Insel, die wie ein schwarzer Fleck inmitten des dunklen Gewässers lag.
„Malikat“, rief er, und seine gewaltige Stimme schallte über das Wasser. „Malikat Bilkis.“
Für eine ganze Weile blieb es still. Aber Ba’Al’T’Azar wusste, dass man ihn gehört hatte und wartete.
Schließlich vernahmen seine feinen Raubtierohren etwas, das zunächst klang wie ein heiseres Flüstern. Ein anfänglich leiser Singsang, der von den flachen Wellen getragen
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