Schwingen des Vergessens
du mich an Lanicel auslieferst, wird er dir verzeihen, du erhältst wahrscheinlich noch einen höheren Rang und kannst dein normales Leben weiter führen.“
„Nein, natürlich nicht. Das ist ohnehin unmöglich…“
„Warum?“, unterbrach Amelie ihn zitternd und blieb instinktiv stehen. Zwar war es gefährlich, hier zu bleiben, doch sie musste das ein für alle Mal klären.
„Das ist jetzt nicht wichtig, wir flüchten und dann können wir reden“, antwortete er so leise, dass beinahe nur ein Flüstern zu hören war. Allerdings waren seine Worte so voller Dringlichkeit, dass Amelie unmöglich daran zweifeln konnte. Wortlos kniff sie die Augen zusammen und hastete weiter, Damian würde nicht nachgeben, das war klar. Allmählich kehrte Licht zurück, nach dem Amelie wie benommen die Hand austreckte.
„Wo sind wir hier?“, brachte sie zwischen zwei Atemstößen hervor und gab noch mehr Gas, der Junge war ein schneller Läufer.
„Keine Ahnung, aber hoffentlich weit weg von der Stadtmitte und weit weg von deinem Zimmer. In dieser Umgebung werden sie bestimmt als erstes suchen, also müssen wir weg von dort. Danach werden sie kreisförmig bis an die Grenze vorgehen, in der Zwischenzeit müssen wir dann wieder zurück in den Hauptteil, wo die anderen die Suche bereits aufgegeben haben. So haben wir die größte Chance, hier sicher wieder raus zu kommen.“ Verwirrt stützte das Mädchen sich auf die Knie, um zu Atem zu kommen.
„Warum bist du dir da auf einmal so sicher? Ich meine, gerade vorhin hast du noch gesagt, dass wir ohnehin keine Chance haben. Dieser Plan wirkt auf mich schon eher gut durchdacht und womöglich auch erfolgreich.“
„Von gut durchdachten Plänen weißt du ja nicht sonderlich viel. Sogar der beste Plan, für den man jahrelang geschuftet hat, kann schief gehen. Doch auch ein Geistesblitz kann klappen, da kann man nichts sagen. Mit etwas Glück, Geschick und noch mehr Glück haben wir eine Chance, sonst kannst du es vergessen. Und frag mich besser nicht, zu wie viel Prozent wir das schaffen. Dann wäre dein Mut ohnehin bereits verschwunden…“ Mit erhobenem Haupt folgte Amelie Damian, der weiter hektisch hin und her blickte, allerdings nicht vorhatte, stehen zu bleiben.
„Schon gut, lass es besser. Ich will nur wissen, wohin wir eigentlich gerade gehen. Oder gehört das sinnlose herumirren auch zu deinem gut durchdachten Plan?“
„Der Plan ist nicht gut durchdacht, natürlich nicht. Dafür bräuchte ich Wochen, wenn nicht sogar Monate, jetzt hatte ich gerade mal 5 Minuten, also lass das mit dem Plan einfach besser.“
„Schon klar, das heißt, wir rennen sinnlos umher, in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden.“ Der Junge nickte und grinste breit, warum auch immer. Nervös blickte Amelie umher, das Pochen ihres Herzes dröhnte seltsam laut in ihren Ohren. Wenn sie ihren eigenen Plan verfolgte, verspürte sie selten solche Angst, denn dann wusste sie zumindest, wie es weitergehen würde. Hier war das allerdings leider nicht der Fall, Damian schwieg wie ein Grab. Die einzigen Laute, die von ihm her drangen, war ein leises Keuchen, ein bisschen müde wurde er anscheinend dann doch.
„Damian, jetzt halt endlich an. Wohin willst du?“
„Ich hab schon gesagt, dass ich nicht weiß, wohin, aber wir müssen weg. Willst du hier bleiben? Dann vergiss es oder stell dich Lanicel, er wird dich mit offenen Armen empfangen und dann nicht mehr los lassen, das schwöre ich dir.“ Erschrocken nahm Amelie etwas Abstand, er sorgte sich wirklich sehr, doch vielleicht war das sogar etwas übertrieben. Denn sie hatte keine Ahnung, was wirklich der Grund war, wegen dem sie ihm auf einmal so wichtig war. Es schien mehr als nur seltsam, aber dieses Problem würde sie später noch beschäftigen können. Falls sie sich verstecken müssten, würde das langwierig werden, Zeit hätte sie bestimmt genug.
„Amelie? Was machst du denn? Schau wo du hin rennst, wir sind auf der Flucht!“, schrie Damian aufgebracht und hielt an, um sie einmal richtig durch zu schütteln. Verwirrt blickte sie aus ihren Gedanken hoch und blinzelte ein paar Mal. Erst jetzt fielen ihr die Dämonen auf, die in geschäftigem Tempo an ihr vorbei drängten, sie allerdings nicht erkannten.
„Schrei nicht so“, flüsterte sie energisch und legte sich die Flügel fester um den zitternden Körper. Damian nickte seufzend und zog Amelie auf die Seite.
„Wir müssen ohnehin woanders gehen. Ist ja klar, naja, hier sehen sie uns
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