Schwur der Sünderin
Pfeifenstiel und schmunzelte. »Ich konnte während des langen Ritts sehen, dass dir diese Frage im Kopf herumschwirrte«, neckte er den Freund.
»Es war bis jetzt keine Gelegenheit, dich das zu fragen«, verteidigte sich Kilian. »Außerdem wollte ich die Antwort selbst ergründen, aber ich finde keine, die mir einleuchtet.«
Joß Fritz sog einige Male an der Pfeife und ließ den Qualm als Kringel aus seinem Mund heraus. Dann blickte er Kilian an und fragte: »Was weißt du über Ulrich von Württemberg?«
Kilian zuckte mit den Schultern. »Das, was du mir über ihn erzählt hast, reicht aus, um ihn nicht zu mögen.«
»Du sollst nicht das Bett mit ihm teilen«, lachte Joß leise auf, worauf Kilian seinen Freund böse anblickte.
»Herzog Ulrich von Württemberg ist ein Mann, vor dem man sich in Acht nehmen muss«, erklärte Kilian. »Er soll Hans von Hutten, den Ehemann seiner Geliebten Ursula, eigenhändig erschlagen haben. Jeder am Hof wusste von der Liebschaft, und der gehörnte Hutten hat sie angeblich sogar geduldet. Herzog
Ulrich hat den Ehemann in eine Falle gelockt und ihn wie einen räudigen Hund umgebracht. Das zeigt, dass er keine Moral besitzt und ein gemeiner Mörder ist.« Kilian ereiferte sich. »Dies hat er getan, obwohl er erst jung verheiratet war. Bei seiner Hochzeit soll Ulrich so verschwenderisch gewesen sein wie kein anderer vor ihm. Die Zahl der Gäste war fast so groß wie der Bauernhaufen vor Pfeddersheim. Tausende mussten beköstigt werden, während das Volk hungerte.« Kilian winkte ab. »Er kommt einem Ungeheuer gleich.«
»Ich habe gehört, dass die Bürger Stuttgarts zwei Wochen lang umsonst Wein aus einem achtröhrigen Brunnen vor dem Schloss trinken durften«, warf Joß ein.
»Rede dir diesen Menschen nur schön, Joß. Wein gegen Essen – wo ist der Sinn? Mir wäre es lieber, wenn ich den Mann nicht kennenlernen müsste. In meinen Augen ist er ebenso verrückt, wie es sein Vater Heinrich gewesen sein soll. Nur wegen der Geistesschwäche seines Alten hat Ulrich den Titel bekommen.«
Joß paffte stumm seine Pfeife.
»Ich weiß noch immer nicht, warum du diesen Menschen aufsuchen willst«, beklagte sich Kilian, da Joß weiter schwieg. »Zumal er den jungen …«
»Ich weiß, Kilian«, erklärte Joß leise, der ahnte, was sein Freund nun sagen wollte. »Ich war bei Jörg Tiegels Hinrichtung in Stuttgart vor elf Jahren dabei gewesen und habe auch dessen Mutter gesehen, die den abgeschlagenen Kopf ihres Sohnes nicht hergeben wollte. Ich weiß alles über Herzog Ulrich. Und deshalb muss ich ihn aufsuchen.«
»Nun verstehe ich es erst recht nicht. Haben wir es wirklich nötig, uns mit einem Mörder einzulassen?«, fragte Kilian. Als Joß erneut schwieg, streckte sich Kilian auf der Pferdedecke aus und starrte in den Himmel. »Ich weiß nicht, warum ich dich unbedingt begleiten musste«, sagte er mehr zu sich selbst. »In
diesem Augenblick würde ich nur zu gern zwischen den Brüsten einer vollbusigen Hure liegen«, nuschelte er und schlief ein.
Joß blickte seinen Weggefährten an und dachte: Manchmal ist es besser, wenn man nicht alles weiß. Dann klopfte er seine Pfeife aus und legte sich ebenfalls schlafen.
Am Nachmittag des dritten Reisetages standen Kilian und Joß auf einem Hügel und blickten zur Stadt Mömpelgard hinunter, die am Fluss Alain lag. In der Ferne sahen sie die Vogesen, deren Massiv von der Sonne angestrahlt wurde. Sie konnten herrschaftliche Gebäude erkennen sowie ein prächtiges Haus, das höher gelegen war. Mömpelgard war von einer hohen Stadtmauer umgeben und von dieser Seite nur über eine lange Brücke zu erreichen. Die Stadt gehörte seit geraumer Zeit zu den württembergischen Besitzungen, weshalb Herzog Ulrich von Württemberg hier Zuflucht gefunden hatte.
»Es gibt sicherlich schlimmere Verbannungsorte als diese Stadt«, sagte Kilian missmutig und blickte auf die gepflegten Gärten, die vor der Stadtmauer angelegt waren. »Warum hat man Ulrich des Landes verwiesen? Wegen des Mords an Hutten?« , fragte Kilian.
Joß legte seinen Arm über den Sattel und stützte sich nach vorn. »Natürlich empörten sich Land und Ritterschaft wegen der Ermordung Huttens und verlangten Ulrichs Absetzung als Regent von Württemberg, was Kaiser Maximilian jedoch ablehnte. Erst als Ulrichs Gemahlin Sabina, eine Nichte des Kaisers, vor den Grausamkeiten ihres Gatten floh, kam es zur Fehde zwischen dem Herzog und dem Kaiser. Im Oktober 1516 verhängte der Kaiser
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