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Schwur der Sünderin

Schwur der Sünderin

Titel: Schwur der Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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Einzelnen seiner Männer beobachten, um die neue Lage einschätzen zu können. Die, die in vielen Bauernaufständen unter Joß gekämpft hatten, konnten nicht oft genug betonen, wie froh sie waren, ihn wiederzusehen. Andere standen stumm und voller Demut vor ihm. Nur ihre Blicke verrieten den Stolz, den sie in diesem Augenblick
empfanden, da der totgeglaubte Held aus den Erzählungen mitten unter ihnen weilte. Einige der jüngeren Männer, die erst seit Kurzem zur Truppe gehörten, höhnten leise hinter vorgehaltener Hand: »Der Alte soll Joß Fritz sein? Er könnte unser Großvater sein … Gleich wird er das Bier verschütten … Wer ist dieser Kerl überhaupt?«
    Belustigt hörte Kilian ihnen zu, als die Burschen seine Aufmerksamkeit zu spüren schienen und seinen spöttischen Blick bemerkten. Daraufhin senkten sie ertappt die Lider.
    Auch ihr werdet Joß Fritz schon bald aus der Hand fressen, dachte Kilian und lachte laut auf.

    Es war kurz vor Mitternacht, als Joß, Kilian und Melchior allein im Schankraum saßen. Müde streckte Joß die Beine von sich und gähnte herzhaft. »Hast du für mich einen Platz zum Schlafen?«, fragte er. Als der Wirt nickte, fügte Joß hinzu: »Ich spendiere ein letztes Bier, dann lege ich mich hin!«
    Mit schlurfendem Schritt ging Melchior Spindler hinter die Theke und füllte drei Tonkrüge.
    Kilian betrachtete Joß und sagte: »Ich kann nicht glauben, dass du leibhaftig hier vor mir sitzt.«
    Der Wirt stellte die Krüge auf den kleinen Tisch und setzte sich zu seinen Kameraden. »Ich habe nicht mehr mit dir gerechnet und war sicher, dass du dein behütetes Leben weiterführen würdest. So kann man sich täuschen«, lachte auch er und klopfte Joß auf die Schulter.
    Joß’ Müdigkeit war mit einem Schlag verschwunden, und sein Blick verfinsterte sich. »Du hast Melchior von meinem anderen Leben erzählt?«, presste er zwischen den Zähnen hervor und schaute Kilian scharf an. Der Landsknecht nickte schuldbewusst.
    »Wer weiß noch davon?«

    »Niemand sonst!«, antwortete Kilian und hielt die Fingerstummel seiner Schwurhand in die Höhe.
    »Und wem hast du mein Geheimnis ausgeplaudert?«, fragte Joß zornig den Wirt.
    Bevor er antwortete, hob auch Spindler seine verkrüppelte Schwurhand in die Höhe und sagte: »Keiner Menschenseele!«
    »So soll es auch bleiben!«, befahl Fritz und nahm einen Schluck aus dem Krug. Mit dem Armrücken wischte er sich über die Lippen und erklärte: »Ich konnte nicht einfach fortgehen. Schließlich habe ich eine Familie zu versorgen sowie ein großes Gehöft, das weitergeführt werden muss. Da gab es einiges zu regeln. Doch nun bin ich hier, und das allein zählt. Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier noch anzutreffen, Kilian. Ihr wolltet doch nach Stuttgart weiter?«
    »Ach, Joß!«, seufzte Kilian. »Ich hatte gehofft, dass du auftauchen würdest, und habe unseren Abzug immer wieder verschoben.«
    Fritz’ blaue Augen blitzten vor Vergnügen, als er das hörte. »Schön, wenn man so begehrt ist.«
    »Wie hast du dein Fortgehen der Familie erklärt?«, fragte Melchior neugierig.
    Joß verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich auf Wallfahrt gehe. Das habe ich schon früher als Ausrede benutzt, wenn ich die Bundschuh-Aufstände plante.«
    »Du musst den Männern eine gute Lüge auftischen, wo du die letzten Jahre gewesen bist. Eine Wallfahrt werden sie dir nicht abkaufen«, sagte der Wirt nachdenklich.
    Joß Fritz nickte. »Ich weiß! Ich werde ihnen sagen, dass ich im Ausland war.«
    »Welches Ausland?«, wollte Kilian erstaunt wissen.
    Joß musste nicht lange überlegen. »Ich werde ihnen sagen, dass ich in Italien war, denn das können sie nicht überprüfen.«
    Die drei Männer nippten müde an ihrem Bier, als Kilian sich
nach vorne beugte und Joß grinsend anblickte. »Hast du sie mitgebracht?«
    Fragend hob Fritz eine Augenbraue hoch.
    »Unsere Fahne! Die Bundschuh-Fahne!«
    Joß schüttelte den Kopf. »Ich habe die Fahne nicht mehr!«
    Erstaunt sahen Melchior und Kilian ihren Freund an.
    Joß Fritz atmete laut aus und erklärte: »Ich habe sie in zwei Teile zerrissen und je eine Hälfte meinen beiden Söhnen gegeben, als ich sie in den Kampf ziehen ließ.«
    Fassungslos fuhr sich der Wirt mit beiden Händen durchs schüttere, strähnige Haar. »Das Banner war unser Heiligtum, das du wie einen Schatz gehütet und nie aus der Hand gegeben hast. Die Fahne war das Zeichen unserer Aufstände gewesen  – und

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