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Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1

Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1

Titel: Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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anders als an einem Badestrand auftreten zu können. Dabei schien er sich in seiner Art Toga, deren Streifenmuster an ein Sonnendach erinnerte, recht unglücklich zu fühlen. Offensichtlich war er der Anführer.
Wilson schlug eilends das Wort für ‚Häuptling’ nach.
Es lautete ,Diktor’.
Eigentlich hätte ihn das nicht überraschen dürfen; denn natürlich entsprach es der logischen Wahrscheinlichkeit, daß ,Diktor’ eher ein Titel als ein Name sein mußte. Er hatte lediglich bisher nicht darüber nachgedacht.
Diktor – der Diktor – hatte unter das Wort noch eine Anmerkung geschrieben. ,Eines der wenigen Worte’, las Wilson, ,das aller Wahrscheinlichkeit nach aus den toten Sprachen überkommen ist. Dieses Wort, ein paar Dutzend andere und der grammatische Bau der Sprache scheinen das einzige Bindeglied zwischen der Sprache der ‚Verlassenen’ und der englischen Sprache zu sein.’
Der Häuptling blieb vor Wilson stehen, genau am Rand der gepflasterten Rampe. „O.K. Diktor“, ordnete Wilson an, „knie nieder. Für dich gilt keine Ausnahme.“ Er deutete auf den Boden. Der Häuptling kniete nieder, und Wilson berührte seine Stirn.
Das von den Leuten mitgebrachte Essen war reichlich und sehr schmackhaft. Wilson speiste langsam und würdevoll, sich stets der Bedeutung seiner Stellung bewußt bleibend. Während er aß, gab die gesamte Versammlung ihm ein Ständchen. Ihr Gesang war ausgezeichnet, das mußte er zugeben. Ihre Vorstellungen von Harmonie dagegen fand er ein wenig fremdartig, und die Aufführung schien ihm, im Ganzen gesehen, etwas primitiv; aber ihre Stimmen waren alle klar und weich, und sie sangen, als ob es ihnen wirklich Freude bereitete.
Das Konzert brachte Wilson auf einen Gedanken. Nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, machte er dem Häuptling mit Hilfe des unentbehrlichen kleinen Notizbuches klar, daß er und seine Schar hier auf ihn warten sollten. Dann ging er zur Halle des Tores zurück und holte das Grammophon und ein Dutzend ausgewählter Schallplatten. Er gab ihnen ein Konzert ‚moderner’ Musik.
Die Reaktion überstieg seine Hoffnungen. Begin the Beguine ließ dem alten Häuptling die Tränen über das Gesicht strömen. Der erste Satz von Tschaikowskijs Klavierkonzert in b-Moll brachte sie fast in Raserei. Sie wandten sich in Zuckungen. Sie hielten sich die Köpfe und stöhnten. Sie schrien laut Beifall. Wilson nahm davon Abstand, ihnen noch den zweiten Satz vorzuspielen, und legte ihnen zum Abgewöhnen Ravels Bolero mit seiner zwingenden Monotonie auf.
„Diktor“, sagte er – und dabei dachte er nicht an den alten Häuptling –, „Diktor, alter Knabe, du hattest diese Leute wirklich durchschaut, als du mich mit deiner Liste einkaufen schicktest. Wenn du wieder auftauchst – falls das überhaupt geschieht –, werde ich inzwischen die Herrschaft angetreten haben.“
    Dies ist kein Bericht über den Einzug moderner Reklame- und Volksbeglückungsmethoden in Arkadien. Wilsons Aufstieg zur Macht glich mehr einem Triumphmarsch als einem Kampf um die Vorherrschaft; er besaß kaum dramatische Akzente. Was die Erhabenen auch mit der menschlichen Rasse angestellt haben mochten, die Leute hier besaßen nur noch eine körperliche Ähnlichkeit mit ihren Vorfahren, während ihr Temperament sich völlig geändert hatte. Die fügsamen, freundlichen Kinder, mit denen Wilson es zu tun hatte, waren kaum mehr mit den lärmenden, vulgären, begehrlichen und dynamischen Horden zu vergleichen, die sich einst das Volk der Vereinigten Staaten genannt hatten. Die Verwandtschaft war ungefähr so wie zwischen friedlichen Milchkühen und Langhorn-Rindern, wie zwischen Cocker-Spaniels und Wölfen. Die Kampflust war ihnen völlig verlorengegangen. Nicht, daß es ihnen an Intelligenz oder Verständnis für schöne Künste fehlte; nur der Wettbewerbsgeist, der Wille zur Macht, war ihnen fremd.
    Auf diesen Gebieten besaß Wilson das Monopol. Aber selbst er verlor das Interesse an einem Spiel, das er stets gewann. Nachdem er sich als Herrscher etabliert hatte, indem er im Palast Wohnsitz nahm und sich als Vizekönig der abgezogenen Erhabenen ausgab, beschäftigte er sich einige Zeit damit, bestimmte Pläne voranzutreiben, um Kultur und Zivilisation auf den ‚neuesten Stand’ zu bringen – er regte die Wiedererfindung von Musikinstrumenten an, richtete ein Postnetz mit regelmäßiger Zustellung ein, belebte die Idee verschiedener Stilrichtungen in der Bekleidung neu und errichtete ein Tabu gegen das

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