Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
nach Rache dürstet, das so … gehässig ist. Das sind nicht meine Gedanken, meine Neigungen. Erinnere dich daran, Udinaas, ehe du etwas Schlimmeres begehst als Hannan Mosag es je tun würde. »Höherer«, sagte er sanft, »Mayen fühlt sich verloren. Und verletzt. Und Ihr seid der Einzige, der ihr helfen kann.«
    »Du versuchst, mit deinen Worten das Sklavenmädchen zu retten«, sagte der Imperator, seine Stimme kaum mehr als ein raues Flüstern.
    »Federhexe bringt mir nur ein einziges Gefühl entgegen, Höherer, und das ist Hass. Ich bin ein Schuldner, sie hingegen nicht. Mein Verlangen nach ihr war freche Selbstüberhebung, und sie würde mich am liebsten dafür bestrafen.«
    »Dein Verlangen nach ihr.«
    Udinaas nickte. »Würde ich sie davor retten, geschlagen zu werden? Natürlich würde ich das, Höherer. Genauso wie Ihr es auch tun würdet. Wie Ihr es erst vor wenigen Augenblicken tatsächlich getan habt.«
    »Weil es … schäbig ist. Was soll ich mit dir machen, Udinaas? Du bist ein Sklave. Ein … Schuldner … Als ob dich das in den Augen eines anderen Sklaven zu etwas noch Geringerem machen würde.«
    »Die Letherii geben nichts auf, nicht einmal, wenn sie zu Sklaven werden. Das ist eine Tatsache, die die Tiste Edur nie verstanden haben, Höherer. Ob arm oder reich, ob versklavt oder frei, wir bauen die gleichen Häuser, um in ihnen zu leben und das alte Schauspiel fortzuführen. Am Ende spielt es keine Rolle, ob das Schicksal uns umarmt oder uns verschlingt – es ist immer so, wie es sein sollte, und nur der Abtrünnige entscheidet über unser Schicksal.«
    Rhulad hatte ihn die ganze Zeit gemustert, während er gesprochen hatte. Sein Zittern war schwächer geworden. »Hull Beddict hat versucht, das Gleiche zu sagen, aber er kann mit Worten nicht sonderlich gut umgehen und ist daher gescheitert. Das heißt also, Udinaas, wir können sie unterwerfen, wir können ihren Körper beherrschen – auf die gleiche Weise, wie wir dich und deine Mitsklaven beherrschen – aber der Glaube, der sie leitet, der euch alle leitet, ist nicht besiegbar.«
    »Nur, indem man sie alle auslöscht, Höherer.«
    »Und dieser Abtrünnige, er ist der Gebieter über das Schicksal?«
    »Das ist er, Höherer.«
    »Und es gibt ihn wirklich?«
    »Körperlich? Ich weiß es nicht. Es spielt auch keine Rolle.«
    Rhulad nickte. »Du hast Recht, Sklave, das tut es nicht.«
    »Wenn Ihr Lether unterwerft, wird es Euch verschlingen, Höherer. Euren Geist, Eure … Unschuld.«
    Ein merkwürdiges Lachen verzerrte Rhulads Gesichtszüge. »Unschuld. So etwas von einer kurzlebigen Kreatur wie dir zu hören. Wir sollten darüber gekränkt sein. Wir sollten dir den Kopf von den Schultern reißen lassen. Du erklärst, wir könnten diesen Krieg nicht gewinnen – und was sollen wir nun machen?«
    »Die Antwort befindet sich auf Eurem eigenen Körper, Höherer.«
    Rhulad blickte an sich hinunter. Seine Fingernägel waren inzwischen lang, gekrümmt und gelb geworden. Er tippte auf eine Münze an seiner Brust. »Ein Ende machen … mit der Vorstellung von Reichtum. Von Geld. Die Illusion von Wert zerschmettern.«
    Udinaas war verblüfft. Rhulad mag jung und halb verrückt sein, aber er ist kein Dummkopf.
    »Oh«, sagte der Imperator. »Wir sehen, dass du … erstaunt bist. Wie es scheint, sind wir unterschätzt worden, sogar von unserem Sklaven. Aber du bist alles andere als schwerfällig im Denken, Udinaas. Wir danken den Schwestern, dass du nicht König Ezgara Diskanar bist, denn das würde uns ernsthaft fordern.«
    »Ezgara mag gütig sein, aber er hat gefährliche Leute um sich herum, Höherer.«
    »Ja. Dieser Ceda – Kuru Qan. Warum hat er noch nichts getan?«
    Udinaas schüttelte den Kopf. »Das habe ich mich auch schon gefragt, Höherer.«
    »Wir werden uns häufiger unterhalten, Udinaas. Und niemand wird davon erfahren. Was würden sie wohl sonst denken  – ein Imperator und ein Sklave, die gemeinsam daran arbeiten, ein neues Imperium zu erschaffen. Denn wir müssen dafür sorgen, dass du weiterhin ein Sklave bleibst, nicht wahr? Auch in den Augen aller anderen. Wir befürchten, dass du uns verlassen würdest, wenn wir dich freilassen.«
    Bei diesen Worten wurde Rhulad wieder von einem plötzlichen Zittern durchlaufen.
    Hol mich der Abtrünnige, dieser Mann braucht einen Freund. »Höherer, ich würde nicht gehen. Ich war derjenige, der die Münzen auf Euren Körper gelegt hat. Davon kann mich nichts und niemand lossprechen, und es gibt

Weitere Kostenlose Bücher