SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
erbärmliche Wesen, das sich dahinter verbirgt?«
Apsalar zuckte zusammen und blickte weg. »Ich nehme an, das hängt davon ab, wie genau man hinschaut.«
»Und wie klar dein Blick ist. Ja, ich stimme zu. Und Schönheit, sie vergeht so schnell, oder stimmt das etwa nicht? Aber das Elend, ach, das Elend bleibt.«
Eine zweite, zischende Stimme ertönte von da, wo der andere Leichnam in seinen Ketten hing. »Hör nicht auf sie! Verräterische Hexe – schau dir an, wo wir gelandet sind! War das mein Fehler? Oh, nein, ich war die Ehrliche. Alle haben das gewusst – und außerdem war ich auch hübscher, lass dir von ihr da bloß nichts aufschwatzen! Komm her zu mir, teurer Geist, und höre die Wahrheit!«
Apsalar richtete sich auf. »Ich bin hier nicht der Geist –«
»Heuchlerin! Kein Wunder, dass du sie mir vorziehst.«
Apsalar konnte jetzt den anderen Schatten sehen, einen Zwilling des ersten, der über seinem Leichnam schwebte – oder zumindest über dem, den er als seinen ausgab. »Wie kommt es, dass ihr beide hier seid?«, fragte sie.
Der zweite Schatten deutete auf den ersten. »Sie ist eine Diebin!«
»Genau wie du!«, gab der erste Schatten zurück.
»Ich bin dir nur gefolgt, Telorast. ›Oh, lass uns in die Schattenfeste einbrechen! Schließlich ist niemand da! Wir können uns mit unzähligen Reichtümern davonmachen!‹ Warum habe ich dir geglaubt? Ich war eine Närrin –«
»Nun«, unterbrach sie die andere, »das ist zumindest etwas, wo wir einer Meinung sind.«
»Es bringt nichts«, sagte Apsalar, »dass ihr beide hierbleibt. Eure Körper verrotten, aber diese Fesseln werden sie niemals freigeben.«
»Du dienst dem neuen Herrn des Schattens!« Der zweite Schatten schien von seinen eigenen anklagenden Worten höchst aufgebracht. »Dieser erbärmliche, schleimige, ekelhafte –«
»Still!«, zischte Telorast, der erste Schatten. »Er wird zurückkommen und uns noch mehr verhöhnen! Ich zumindest habe keine Lust, ihn jemals wiederzusehen. Genauso wenig wie die verdammten Hunde.« Der Geist schob sich näher an Apsalar heran. »Um deine Frage zu beantworten, höchst freundliche Dienerin des wunderbaren neuen Herrn, ja, wir würden diesen Ort gerne verlassen. Doch wo sollten wir hingehen?« Der Geist gestikulierte mit einer dünnen, knochigen Hand. »Jenseits der Stadt gibt es schreckliche Kreaturen. Sie sind betrügerisch, hungrig, zahlreich. Wenn wir allerdings eine Begleitung hätten …«, fügte er mit samtweicher Stimme hinzu.
»Oh, ja«, rief der zweite Schatten, »eine Begleitung zu einem der Tore – eine maßvolle, vorübergehende Verantwortung deinerseits, doch wir würden zutiefst dankbar sein.«
Apsalar musterte die beiden Kreaturen. »Wer hat euch eingesperrt? Und sagt die Wahrheit, denn sonst werde ich euch nicht helfen.«
Telorast verbeugte sich tief, schien dann noch tiefer zu gehen, und es dauerte einen Moment, ehe Apsalar klar wurde, dass der Schatten am Boden kroch. »Um die Wahrheit zu sagen. Wir würden nicht lügen, wenn es um diese Dinge geht. Du wirst in keiner anderen Sphäre jemanden mit einer so klaren Erinnerung oder von so reiner Integrität finden, wenn es um das Erzählen besagter Erinnerungen geht. Es war ein Dämonenlord –«
»Mit sieben Köpfen!«, unterbrach ihn der andere Schatten und hüpfte dabei vor schlecht verhohlener Begeisterung auf und ab.
Telorast krümmte sich. »Sieben Köpfe? Waren es sieben? Nun, es könnten sieben gewesen sein. Warum auch nicht? Ja, sieben Köpfe!«
»Und welcher von ihnen«, fragte Apsalar, »hat behauptet, der Herr zu sein?«
»Der sechste!«
»Der zweite!«
Die beiden Schatten blickten einander hasserfüllt an, dann hob Telorast einen Knochenfinger. »Genau! Der sechste von rechts, der zweite von links!«
»Oh, sehr gut«, summte der andere.
Apsalar blickte ihn an. »Der Name deiner Kameradin lautet Telorast – wie ist deiner?«
Der Schatten zuckte zusammen, knickste, begann dann ebenfalls zu kriechen, wobei er winzige Staubwolken aufwirbelte. »Prinz – König Grausam, der Schlächter aller Feinde. Der Gefürchtete. Der Verehrte.« Der Schatten zögerte kurz, ehe er fort fuhr: »Prinzessin Zimperlich? Geliebt von tausend Helden, allesamt finster blickende Männer mit schwellenden Muskeln!« Ein Zucken, ein leises Murmeln, ein kurzes Kratzen im Gesicht. »Ein Kriegsherr, nein, ein Drache mit zweiundzwanzig Köpfen, neun Schwingen und elftausend Fängen. In Anbetracht der Gelegenheit …«
Apsalar verschränkte
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