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SdG 10 - Die Feuer der Rebellion

SdG 10 - Die Feuer der Rebellion

Titel: SdG 10 - Die Feuer der Rebellion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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deren Ränder ausfransten, während sie in der Tiefe versank. Und dann – Stimmen. Schreiend, brüllend, klagend und wütend, eine Kakophonie von verstrickten Leben, die sich voneinander zu trennen suchten, die ihre eigene Existenz zu behaupten suchten, einzigartig, ein Wesen mit Augen und Stimme. Der beladene Geist eines jeden einzelnen klammerte sich an Erinnerungen, die mit jedem Schwall vergossenen Blutes, mit jedem zerschmetternden Fehlschlag wie zerfetzte Banner weggerissen wurden – Soldaten, die starben, ewig und immer starben …
    Paran und Ganath sahen zu, wie farblose, durchnässte Standarten die Oberfläche des Wassers durchbrachen, Speere sich in die Luft reckten, an denen Schlamm herunterströmte – Standarten, Banner, mit grässlichen verrottenden Trophäen behängte Spieße erhoben sich jetzt entlang der gesamten Uferlinie.
    Die Raraku-See hatte ihre Toten zurückgegeben.
    Als Antwort auf den Ruf eines einzigen Mannes.
    Weiße, wie Schlitze der Abwesenheit wirkende Knochenhände umklammerten Schäfte aus schwarzem Holz, von zerfetztem Leder und zerfressenen Armschienen bedeckte Unterarme erhoben sich aus dem Wasser, dann verrottete Helme und fleischlose Gesichter. Menschen, Trell, Barghast, Imass, Jaghut. Die Völker – und all die Kriege, die sie gegeneinander geführt haben. Oh, könnte ich sämtliche sterblichen Historiker hierherholen an dieses Ufer, damit sie einen Blick auf unsere wahre Namensliste werfen könnten, auf unsere Abfolge von Hass und Vernichtung.
    Wie viele von ihnen würden in irgendeinem Glaubenseifer verfangen verzweifelt versuchen, Gründe und Rechtfertigungen aufzustöbern? Ursachen, Verbrechen, gerechte Strafen – Parans Gedanken stockten, als er begriff, dass er – genau wie Ganath – zurückgewichen war, dass er angesichts dieser Offenbarung Schritt für Schritt zurückgestoßen wurde. Oh, diese Boten würden so viel … Missfallen ernten. Würden verunglimpft werden. Und diese Toten, oh, wie sie lachen würden, da sie die Taktik, sich mit einem totalen Angriff zu verteidigen, so gut verstehen würden. Die Toten verspotten uns, sie verspotten uns alle, und sie brauchen nicht einmal etwas zu sagen …
    All die Feinde der Vernunft – aber nicht der Vernunft als einer Kraft oder eines Gottes, nicht der Vernunft im kalten, kritischen Sinn. Sondern der Vernunft in ihrer reinsten Rüstung, wenn sie mitten hinein zwischen diejenigen schreitet, die die Toleranz hassen, bei den Göttern hienieden, ich bin verloren, verloren in alledem hier. Man kann gegen die Unvernunft nicht ankämpfen, und wie diese vielen Toten es erzählen werden – es genau in diesem Augenblick erzählen –, heißt der Feind Gewissheit.
    »Diese …«, flüsterte Ganath, »diese Toten haben kein Blut, das sie dir geben könnten, Ganoes Paran. Sie werden dir nicht huldigen. Sie werden dir nicht folgen. Sie werden nicht vom Ruhm in deinen Augen träumen. Sie sind fertig damit, mit alledem. Was siehst du, Ganoes Paran, in diesen starrenden Löchern, die einmal Augen waren? Was siehst du?«
    »Antworten«, erwiderte er.
    »Antworten?« Ihre Stimme klang schroff. »Antworten worauf?«
    Paran antwortete nicht, sondern zwang sich stattdessen, einen Schritt nach vorn zu gehen und dann noch einen.
    Die ersten Reihen standen direkt am Ufer, Schaum wirbelte um ihre Skelettfüße, und hinter ihnen tausende und abertausende von Verwandten. Sie hielten Waffen aus Holz, Knochen, Horn, Feuerstein, Kupfer, Bronze und Eisen in den Händen. Waren in Fetzen von Rüstungen, Pelzen, Fellen gekleidet. Schweigend und jetzt auch reglos.
    Der Himmel über ihnen war dunkel, bedrohlich und doch still, als hätte ein Sturm seinen ersten Atemzug getan – um jetzt den Atem anzuhalten.
    Paran musterte die grässliche Reihe, die ihm gegenüberstand. Er wusste nicht so recht, wie er das machen sollte – er hatte nicht einmal gewusst, ob seine Beschwörung erfolgreich sein würde. Und jetzt … Es sind so viele. Er räusperte sich, zählte dann Namen auf.
    »Beinling! Ziellos! Ranter! Detoran! Bucklund, Igel, Mulch, Zeh, Trotter!« Mehr Namen folgten, während er sein Gedächtnis durchstreifte, seine Erinnerungen, denn alle Brückenverbrenner, die er kannte, waren gestorben. Bei Korall, unter Fahl, im Schwarzhundwald und im Mottwald, nördlich von Genabaris und nordöstlich von Nathilog – Namen, die er sich einst fest eingeprägt hatte, als er im Auftrag Mandata Lorns die grimmige Geschichte der Brückenverbrenner erforscht hatte.

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