SEAL Team 12: Geheime Lügen (German Edition)
.«
Einmal mehr zweifelte sie an ihrer Urteilskraft. Sie würde ihm mitteilen müssen, dass sie und ihre leibliche Mutter bereits seit Monaten in E-Mail-Kontakt standen, dass sie vorhatte, bei ihr in Dallas zu leben und ihren Lebensunterhalt mit dem Unterrichten von Einwanderern zu verdienen. »Ich erzähle es Ihnen morgen « , versprach sie, da sie für weitere Einzelheiten gerade zu erledigt war.
»Na schön « , sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Werden Sie jetzt schlafen können ?«
»Ich denke schon .«
»Ich auch. Also, hauen wir uns aufs Ohr .«
Als er sich der Tür zuwandte, um die Schlüsselkarte einzustecken, streifte er ihre Brust mit einem Arm.
Sara schnappte nach Luft, überrascht darüber, dass der Körperkontakt so guttat. Sie erschauerte bei dem Gedanken, wie verwundbar sie tatsächlich war und wie leicht Chase ihre Lage ausnutzen konnte.
»Gehen Sie vor « , sagte er und hielt ihr die Tür auf.
Entschlossen, gut auf sich aufzupassen, tauchte sie in die Dunkelheit des Zimmers ein.
5
Als Chase von der asphaltierten Straße auf die Schotterpiste zu seiner Ranch außerhalb von Broken Arrow im Bundesstaat Oklahoma abbog, verfielen die Insassen des Sportwagens in Schweigen.
Es war vier Uhr nachmittags, Stunden nach ihrer geplanten Ankunft. Am Morgen in Memphis waren sie verspätet losgefahren, weil Sara Chase’ Fragen beantwortet hatte. Wo in Texas wollte sie hin? Was erwartete sie dort? Womit wollte sie ihren Lebensunterhalt verdienen?
Auf dem Weg aus der Stadt waren sie an einem Postamt vorbeigefahren, wo Chase alle seine Notizen von ihrem Gespräch in einen Umschlag gesteckt und an seinen Kontaktmann in D. C. geschickt hatte. In ungefähr zehn Tagen würden ihre neuen Papiere bei ihrer Mutter in Dallas eintreffen.
Während der anschließenden siebenstündigen Fahrt musste Chase Saras Unbehagen darüber gespürt haben, dass sie so viel preisgegeben hatte, denn er begann seinerseits zu reden – machte tatsächlich den Mund auf – und erzählte ein wenig von seiner Vergangenheit und von der Ranch, zu der sie unterwegs waren.
Es überraschte sie, zu hören, dass er Broken Arrow am Tag nach seinem Highschool-Abschluss den Rücken gekehrt und sich mit einem ramponierten GTO nach Kalifornien aufgemacht hatte, wo er sofort in die Navy eingetreten und für die Ausbildung zum SEAL zugelassen worden war.
»Haben Sie Ihre Familie nicht vermisst ?« , fragte sie ihn.
»Damals gab es nur noch meinen Stiefvater « , erklärte er mit gerunzelter Stirn.
Keiner lebte mehr ? Chase hatte zuvor schon einmal erwähnt, dass sein Vater in jungen Jahren von einer Leiter gefallen war. Danach war sein Großvater auf die Ranch gezogen, um seiner Tochter unter die Arme zu greifen. Später hatte dann Lincoln Sawyer, der Vorarbeiter der Ranch, um die Hand von Chase’ Mutter angehalten.
»Sie sind nicht gut mit ihm ausgekommen, oder ?« , traute sie sich zu fragen.
»Er hat mich wie einen geliehenen Maulesel behandelt « , gestand Chase knapp.
In dem Moment war ihr aufgegangen, dass seine glückliche Kindheit abrupt geendet hatte. Und zu hören, dass alle außer Linc gestorben waren, auch die Mutter, von der Chase so liebevoll sprach, hatte ihren Eindruck bestätigt.
Sara spähte die Schotterpiste entlang, neugierig, welches Zuhause einen Mann wie ihn hervorgebracht hatte. Von beiden Seiten bedrängten Bäume die Straße – Buscheichen, Sassafraslorbeer und Dattelpflaumenbäume. Wildblumen bildeten Farbtupfer im hohen Gras am Wegrand.
Sie betrachtete Chase kurz von der Seite, um herauszufinden, in welchem Gemütszustand er sich befand. Er war in Schweigen verfallen und blickte mit grimmigem Gesicht aufmerksam nach vorn. Das Sonnenlicht tanzte über seine Handrücken, während er den Wagen geschickt um Schlaglöcher herumlenkte.
Hundert Meter weiter wichen die Bäume Präriegras, das von hochragenden Sonnenblumen und Indianerpinsel durchbrochen wurde. Dann beschrieb der Fahrweg eine Kurve und ein Ranchhaus samt Schornstein, Schrägdach und überdachter Veranda kam in Sicht. Flankiert von einer roten Scheune stand es im Schatten eines gigantischen Hickorybaums auf der Lichtung.
Einer der Äste war einem Blitzschlag zum Opfer gefallen und lag nun quer über dem Weg. Chase wich aus und fuhr durchs hohe Gras, das am Unterboden seines Wagens entlangstrich.
Als sie vor dem Haus hielten, sah Sara, dass Unkraut die Stufen zur Veranda überwucherte. Auf einer Seite gähnte sie eine leere Fensterhöhle
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