Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
geklaut, noch habe ich meine Klienten beklaut, denn ich habe keinen direkten Zugriff auf ihr Vermögen. Überprüfen Sie ’s!«
»Und ob wir das tun werden! Aber das sind ja nur zwei denkbare Möglichkeiten. Kann auch sein, Sie haben auf irgendeine Weise Wind davon bekommen, dass Jennings von WITSEC betreut wird, und nicht dichtgehalten, sodass es die falschen Leute erfahren haben.«
»Und die haben ihn mit meiner Pistole umgebracht, die in meinem Holster steckte?«
»Oder Sie haben’s selber getan und Kopfgeld kassiert.«
»Dann bin ich also ein bezahlter Killer.«
»Wussten Sie, dass Jennings im Zeugenschutzprogramm war?«
King zögerte einen Augenblick zu lang, zumindest nach seiner persönlichen Einschätzung. »Nein.«
»Hätten Sie was dagegen, einen Lügendetektortest zu machen?«
»Diese Frage muss ich nicht beantworten.«
»Ich versuche ja nur, Ihnen zu helfen«, sagte Parks. »Sie haben immerhin schon zugegeben, zur Zeit der Ermordung von Jennings im Besitz der Mordwaffe gewesen zu sein.«
»Ihnen ist hoffentlich klar, dass Sie mich nicht über meine Rechte belehrt haben. Von daher dürfte von dem, was ich Ihnen bisher mitgeteilt habe, ohnehin nichts gerichtsverwendbar sein.«
»Sie sind weder festgenommen noch angeklagt«, erläuterte einer der FBI-Agenten. »Von daher sind wir nicht verpflichtet, Sie über irgendetwas zu belehren.«
»Und wenn man uns in den Zeugenstand ruft«, ergänzte Parks, »brauchen wir bloß zu wiederholen, was Sie in unserer Gegenwart gesagt haben.«
»Hörensagen, mehr ist das nicht«, gab King zurück. »Und ich glaube nicht, dass Sie dafür eine Ausnahmegenehmigung bekommen, denn so was fällt unter den Vorbehalt der Voreingenommenheit. Der Prozess würde sofort platzen.«
»Sie sind nicht auf Strafrecht spezialisiert, oder?«, fragte Parks.
»Nein, wieso?«
»Weil das, was Sie eben gesagt haben, völlig unausgegorener Mist war.«
Kings Zuversicht schwand, und man sah es ihm an. Parks ließ nicht locker.
»Dann nehmen Sie also Ihre Aussage zurück, dass die Waffe während der Tatzeit in Ihrem Besitz war?«
»Bin ich festgenommen?«
»Das mag von Ihrer Antwort auf meine Frage abhängen.«
King erhob sich. »Von jetzt an unterhalten wir uns nur noch in Anwesenheit meines Anwalts. Und der ist Strafrechtler.«
Auch Parks stand nun auf, und einen Augenblick lang hatte King das Gefühl, der Riese wolle über den Tisch langen und ihn erdrosseln. Aber der grinste nur und reichte den Plastikbeutel mit der Pistole an einen der beiden FBI-Agenten weiter.
»Ich bin sicher, wir sehen uns wieder«, sagte er in freundlichem Ton. »Ich darf Sie lediglich bitten, den Bezirk vorerst nicht zu verlassen, das würde mich gar nicht freuen.«
Die Besucher machten sich auf den Weg zum Ausgang. King nutzte die Gelegenheit, Williams beiseite zu ziehen.
»Todd«, sagte er, »warum spielt Parks hier die erste Geige? Normalerweise lässt sich das FBI so einen Fall doch nicht aus der Hand nehmen?«
»Der Tote war im Zeugenschutz. Parks ist ein ziemlich hohes Tier im Marshals Service. Ich glaube sogar, dass er es war, der Jennings in unsere Gegend geschickt hat. Und jetzt macht man es ihm zum Vorwurf, dass er tot ist. Ich glaube, er hat in Washington ein paar Strippen gezogen.« Todd fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Flüsternd fuhr er fort: »Hör mal, Sean, ich glaube ja keine Sekunde daran, dass du in diese Geschichte verwickelt bist…«
»Und du wolltest gerade aber sagen, stimmt’s?«
Todds Unbehagen wuchs zusehends. »… aber ich hielte es für das Beste…«
»… wenn ich meine Pflichten als Hilfspolizist für die Dauer der Ermittlungen ruhen ließe?«
»Ich danke dir für dein Verständnis.«
Nachdem Todd gegangen war, ließ King sich wieder an seinem Schreibtisch nieder. Was ihn beunruhigte, war, dass man ihn nicht auf der Stelle verhaftet hatte. Die Indizien hätten dafür ohne weiteres ausgereicht. Und wie war es möglich, dass Jennings mit der Waffe, die in jener Nacht in seinem Holster steckte, umgebracht worden war? King hatte dafür zwei mögliche Erklärungen, und als ihm die zweite einfiel, schoss er die andere in den Wind. Wie hatte er nur so begriffsstutzig sein können? Joan Dillinger!
Er griff zum Telefon und rief einen alten Freund in Washington an. Der Mann, der nach wie vor beim Secret Service arbeitete, hatte während der gesamten Ritter-Affäre unbeirrt auf Kings Seite gestanden. Nach ein paar Worten über persönliche und berufliche
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