Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
gemacht?«
Loretta warf ihr einen kritischen Blick zu. »Warum fragen Sie mich nicht gleich das, was Sie wissen wollen? Da können wir uns ’ne Menge Zeit sparen!«
»Schon gut, ja. Haben Sie auch im Zimmer von Agent King sauber gemacht?«
Loretta nickte. »Der ganze Tross hatte ja vor dem Attentat schon ausgecheckt. Aber ich hatte die Namen der Gäste alle auf meiner Liste. Jawohl, ich habe Kings Raum vor der Schießerei noch gereinigt – und das war auch dringend nötig, sag ich Ihnen!« Sie sah Michelle viel sagend an.
»Wieso? Hat er einen Saustall hinterlassen?«
»Nicht direkt. Aber in dem Zimmer müssen in der Nacht – wie soll ich sagen – gewisse ›Aktivitäten‹ stattgefunden haben. Glaub ich jedenfalls.« Bei diesen Worten zog Loretta eine Augenbraue hoch.
»Aktivitäten?«
»Aktivitäten, ja.«
Michelle hatte auf der Kante des Schaukelstuhls gesessen. Jetzt lehnte sie sich zurück. »Aha«, sagte sie. »Ich verstehe.«
»Die müssen sich aufgeführt haben wie wilde Tiere. Ein schwarzes Spitzenhöschen hing sogar noch an der Deckenlampe! Ich weiß nicht, wie das da raufgekommen ist – und will es auch gar nicht wissen.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer das zweite Tierchen war?«
»Nein, aber ich denke mir, da braucht man nicht weit zu suchen, Sie verstehen?«
Michelle kniff die Augen zusammen und dachte über die Bemerkung nach.
»Ja, ich glaube schon«, sagte sie schließlich und wechselte das Thema. »Ihnen ist nicht zufällig aufgefallen, dass kurz vor der Tat jemand den Fahrstuhl verlassen hat?«
Loretta sah sie verständnislos an. »Glaub mir, Schätzchen, ich hab damals nicht auf irgendwelche Fahrstühle geachtet.«
Michelle warf einen Blick auf ihren Notizblock. »Nach meinen Unterlagen wurde das Hotel in der Zwischenzeit geschlossen.«
»Ja, es machte ziemlich bald nach der Ermordung von Clyde Ritter dicht. War ja nicht gerade eine gute Werbung fürs Haus. Auch für mich war’s schlecht, ich hab seither keinen festen Job mehr gehabt.«
»Ich habe gesehen, dass man das Gelände eingezäunt hat.«
Loretta zuckte mit den Schultern. »Da gibt’s immer wieder Leute, die alles mitnehmen wollen, was nicht niet- und nagelfest ist, und bekiffte Jungs, die ihre Mädchen da reinschleppen, um sie ungestört… na ja, Sie wissen schon.«
»Gibt es irgendwelche Pläne für eine Wiedereröffnung?«
Loretta schnaubte verächtlich. »Eher wird der Laden abgerissen.«
»Wissen Sie, wem er derzeit gehört?«
»Nein. Das ist bloß ein großes, altes, leeres Nichts, so ähnlich wie das ganze Kaff hier.«
Michelle stellte noch einige weitere Fragen, bedankte sich dann und verabschiedete sich. Ehe sie ging, gab sie Loretta Baldwin noch etwas Geld für ihre Hilfe.
»Sagen Sie mir rechtzeitig, wenn Sie mit der Kamera kommen. Und wann der Film gesendet wird. Ich will das natürlich sehen.«
»Ich geb Ihnen sofort Bescheid, wenn wir so weit sind.«
Michelle ging zu ihrem Wagen und stieg ein. Einen Termin hatte sie noch.
Als sie losfuhr, hörte sie ein Geräusch wie von einem knatternden Auspufftopf, der in Kürze abfallen würde. Sie blickte auf und sah auf der Straße vor dem Haus einen uralten, rostzerfressenen Buick vorbeituckern. Der Fahrer war kaum zu erkennen. Diese Karre ist gewissermaßen ein Symbol für die ganze Stadt, dachte sie. Hier geht alles zu Bruch.
Der Fahrer des Buick hatte Michelle unauffällig beobachtet. Als ihr Wagen aus der Grundstückseinfahrt auf die Straße rollte, warf er einen Blick auf Loretta: Sie schaukelte in ihrem Stuhl, zählte ihr Geld und strahlte über das ganze Gesicht.
Er hatte die gesamte Unterredung mit einem in der Antenne seines Wagens verborgenen Lautverstärker aufgezeichnet und die beiden Frauen außerdem mithilfe eines starken Teleobjektivs fotografiert. Das Gespräch war hochinteressant gewesen, in ganz persönlicher Hinsicht sogar außerordentlich aufschlussreich. Da hatte sich also das Zimmermädchen Loretta damals in der Besenkammer versteckt! Wer hätte gedacht, dass das nach all den Jahren noch ans Licht käme? Dennoch war diese Entdeckung vorerst zweitrangig.
Langsam wendete er und setzte den Buick auf Maxwells Fährte. Er war sich ganz sicher, dass sie noch einmal zum Fairmount-Hotel zurückkehren würde, und da er ihr Gespräch mit Loretta Baldwin belauscht hatte, wusste er auch, warum.
KAPITEL 17
Sean King saß am Schreibtisch in seinem Büro und bearbeitete eine Akte, als er vor der Tür Schritte hörte. Da weder sein Partner
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