Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
nach wie vor dem Service angehören dürfen, da dachte ich, Sie würden Ihre Lehre daraus ziehen. Aber was tun Sie? Schnüffeln in Angelegenheiten herum, die Sie nichts angehen! Ich kann mir nicht vorstellen, wie man einen noch größeren Mist bauen könnte als Sie!« Sein Blick wanderte zu King. »Oh, entschuldigen Sie, das war ein Irrtum, da Sie neuerdings ja die Gesellschaft eines unserer legendären Versager suchen! Sie sollten gemeinsam einen Verein gründen – den Club der Nieten! Einen King für den Vereinsvorsitz haben Sie ja schon, stimmt’s, Sean?«
King hatte Bishop schon während seiner aktiven Zeit im Service verabscheut, und nach der Ermordung Ritters war Bishop einer derjenigen gewesen, die am lautesten »Kreuziget ihn!« geschrien hatten. Die Jahre, die seither verstrichen waren, hatten die Gefühle des ehemaligen Agenten in keiner Weise mäßigen können.
»Vorsicht, Walt!«, sagte King. »Einen Beleidigungsprozess hab ich schon gewonnen. Ich kann auch einen Verleumdungsprozess gewinnen. Und ich kann Ihnen gar nicht sagen, was für einen Heidenspaß es mir machen würde, Ihre mickrigen Weichteile in ein Einmachglas…«
»Jetzt reicht’s!«, brüllte Bishop.
»Ich bin nicht mehr beim Service, also sparen Sie sich Ihre theatralischen Auftritte für jemanden auf, der Sie noch für voll nimmt – vorausgesetzt, Sie finden einen.«
»Ich verbiete Ihnen, in diesem Ton mit mir zu reden!«
»Lieber rede ich mit einem Haufen Pferdemist, als dass ich auch nur noch eine Minute meines Lebens auf so einen billigen Armleuchter wie Sie verschwende!«
»Ich habe immerhin noch nie einen Präsidentschaftskandidaten abkratzen lassen, bloß weil ich den Kopf gerade in meinem Arsch stecken hatte!«
»Ihr Kopf steckt doch nie woanders als in Ihrem Arsch. Meiner kommt wenigstens ab und zu mal zum Luftholen raus!«
Das Gespräch glitt von da an rapide in noch tiefere Niederungen ab, bis schließlich praktisch alle, die sich im Polizeigebäude aufhielten, einschließlich der Häftlinge, die die Ohren spitzten, um sich nur ja kein Wort entgehen zu lassen.
Michelle hatte noch nie erlebt, dass es jemand wagte, dermaßen despektierlich mit Walter Bishop zu reden, und bei so einigem, was aus Kings Mund kam, musste sie an sich halten, um nicht laut loszulachen. Ihr kam es vor, als habe er in den vergangenen acht Jahren einen Riesenvorrat an Verbalinjurien angesammelt, nur um ihn bei dieser Gelegenheit loszuwerden.
Nachdem Bishop wutentbrannt wieder nach Washington abgedampft war, gesellten sich Jefferson Parks und der Sheriff von Bowlington zu Michelle und Sean, die sich gerade einen miserablen Kaffee aus dem Automaten zu Gemüte führten.
»Was tun Sie eigentlich hier?«, fragte King Parks.
Der Deputy Marshal war sichtlich aufgebracht. »Ich hatte Sie ausdrücklich darum gebeten, den Bezirk nicht zu verlassen. Und dann sagen mir meine Leute, dass Sie sich nicht nur in einem anderen Staat aufhalten, sondern auch noch in der Stadt herumschnüffeln, in der Clyde Ritter das Zeitliche gesegnet hat. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, erfahre ich, dass Ihre Begleiterin« – er nickte in Richtung Michelles – »in einen hiesigen Mordfall verwickelt ist. Noch einmal von vorne: Sie haben den Bezirk verlassen, nachdem ich Sie ausdrücklich um das Gegenteil gebeten hatte, weil…«
»Ich stand ja nicht unter Arrest«, unterbrach King ihn wütend. »Und außerdem ist es ja nicht so, dass ich meine Pensionsansprüche versilbert hätte und damit auf die Fidschi-Inseln abgehauen wäre. Ich bin lediglich in einem Land Cruiser voller Sportartikel und angefressener Müsliriegel nach North Carolina gefahren. Toll, was?«
»Außerdem hatten wir das Glück, Ihre ausgebüxten Häftlinge wieder einzufangen«, ergänzte Michelle. »Wir haben Ihnen also einen Dienst erwiesen.«
»Das erkenne ich durchaus an«, sagte der Sheriff. »Trotzdem würde ich gerne mehr über Ihre Beziehung zu der verstorbenen Ms Baldwin wissen. Dies ist der erste Mord hier in Bowlington seit – nun ja, seit dem Fall Ritter, und Sie werden sich denken können, dass ich alles andere als erfreut darüber bin.«
Michelle schilderte ein weiteres Mal ihr Gespräch mit Loretta.
Der Sheriff rieb sich das Kinn und zerrte seinen Hosenbund hoch. »Ich werde daraus einfach nicht schlau«, sagte er. »Loretta hat Ihnen doch offensichtlich nichts erzählt, was irgendwen hätte belasten können.«
»Ja, das stimmt.« Michelle hatte ein bisschen geflunkert
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