Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
Augen. »Willst du mich nicht?«, fragte Michelle.
»Nicht so«, antwortete Sean. »Nicht so, nein. Und ich will auch nicht ...«
Sie schlug ihm ins Gesicht und wandte sich ab.
»Michelle ...«
»Lass mich in Ruhe.«
Sie lief los, doch es war, als würde sie frontal gegen eine Wand aus Hitze und Kälte zugleich rennen, die ihre Organe in Brand setzte und ihre Haut gefrieren ließ. Ihre Knie gaben nach, und schluchzend sank sie zu Boden und krümmte sich zusammen wie ein Kind. Sie kratzte mit den Fingern über den Boden und fand das zerschmetterte Foto dort, wo es hingefallen war. Sie drückte es sich an die Brust.
Einen Augenblick später wurde sie hochgehoben, und ihr Kopf fiel auf Seans Brust. Er redete auf sie ein, doch sie antwortete nicht.
Sean legte Michelle aufs Bett, nahm ihr das Foto ab, deckte sie zu und setzte sich neben sie. Er streckte die Hand aus, und instinktiv packte Michelle seine Finger. Nach ein paar Minuten ebbte ihr Schluchzen allmählich ab. Schließlich löste sie den Griff um Seans Hand und schlief ein.
Sean schob ihre Hand unter die Decke, legte sich neben sie und streichelte ihr das nasse Haar, bis auch er einschlief.
58.
Q uarry stapfte durch den Dreck vor dem kleinen Haus. Carlos folgte ihm. Der große Mann blieb stehen und deutete zur Böschung.
»Das Kamerabild wird genau zu der Stelle übertragen, wo du sein wirst«, sagte Quarry. »Der Monitor ist bereits angeschlossen. Er läuft super. Ich habe alles überprüft. Die Kameras zeigen allerdings nur die Außenseite. Drinnen kann man keine verstecken.«
»Verstanden.«
Sie waren das schon zahllose Male durchgegangen, doch Carlos wusste, dass ständige Wiederholungen zu Quarrys Prinzipien gehörten, denn als erfahrener Pilot war er der festen Überzeugung, dass man nur durch ständige, wiederholte Übungen sämtliche potenziellen Fehler eliminieren könne.
»Die Kamera ist genau auf den Punkt gerichtet«, fügte Quarry hinzu. »Aber ich werde das bis zur letzten Minute immer wieder überprüfen.«
»Besteht die Möglichkeit, dass man die Kamera entdeckt und außer Betrieb setzt?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich, aber für den Fall der Fälle hast du ja eine Alternative.« Quarry holte ein schweres Fernglas aus seinem Rucksack und reichte es Carlos. »Das ist zwar ziemlich altmodisch, aber es funktioniert. Ich habe deine Position so ausgesucht, dass man dich nicht entdeckt. Klapp einfach den Sehschlitz in dem Bunker auf.«
Carlos nickte. »Und das andere?«, fragte er und betrachtete das Haus, die Waldgrenze und die für ihr Vorhaben kritische freie Fläche dazwischen.
Quarry lächelte. »Das ist das Schöne an der Sache, Carlos. Du musst nur einen Knopf drücken, und alles ist aktiviert.« Er grinste wie ein Schuljunge, dem gerade ein Streich gelungen war. »Ich habe zwar ein bisschen gebraucht, um das zu bauen - es war ziemlich schwer -, aber jetzt funktioniert's. Sobald du den Knopf gedrückt hast, mein Freund, gibt es kein Zurück mehr.«
»Und wie nehme ich Kontakt zu Ihnen an der Mine auf?«
»Erst einmal wirst du in jedem Fall Kontakt zu mir aufnehmen, egal ob es gut läuft oder ob alles den Bach runtergeht.« Quarry reichte Carlos ein kastenförmiges Gerät. »Das hier ist so was Ähnliches wie ein Satellitentelefon«, erklärte er. »Der Anruf wird mich selbst oben in der Mine erreichen, ich hab's bereits ausprobiert. Aber der Schlitz in dem Loch, in dem du steckst, muss offen sein, damit das Gerät mit dem Satelliten Verbindung halten kann. Aber der Anruf dauert ja nur ein paar Sekunden. Ich will keine ellenlangen Berichte hören. Ja oder nein reicht.«
Carlos nahm das Satellitentelefon. »Wo haben Sie das her?«
»Ich hab's aus ein paar Ersatzteilen selbst gebaut.«
»Was ist mit dem Satellitensignal?«
»Ich habe mich in eine Plattform reingehackt. Ich bin in die Bücherei gegangen und habe im Internet nachgeschaut, wie das geht. Wenn man das erst mal weiß, ist es leichter, als du denkst. Himmel, Carlos, verglichen mit dem, was wir in Vietnam aus nichts zusammengebaut haben, ist das Kinderkram. Außerdem habe ich auf diese Weise eine Menge Geld gespart - Geld, das ich ohnehin nicht habe.«
Carlos schaute ihn mit unverhohlener Ehrfurcht an. »Gibt es eigentlich etwas, was Sie nicht können?«
»Es gibt viele Dinge, die ich nicht kann«, antwortete Quarry. »Ich bin nur ein einfacher Arbeiter. Ich weiß über die meisten Dinge einen Dreck.«
»Wann geht es los?«, fragte Carlos.
»Ich gebe dir
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