Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
nennen! Das klingt, als wäre er ein liebevoller Großvater und kein gewalttätiger Irrer.«
»Okay«, sagte Willa ängstlich. »Ist ja gut. Ich höre damit auf.«
Diane ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. »Vermisst du deine Mom?«, fragte sie mit leiser Stimme.
Willa nickte. »Ich vermisse alle. Sogar meinen kleinen Bruder.«
»Hat er dir gesagt, mit deiner Familie sei alles in Ordnung?«
»Ja. Er ...« Willa hielt inne und schaute Diane scharf an. »Was fragen Sie mich das? Hat er Ihnen etwas anderes erzählt?«
Diane war überrascht. »Nein. Ich meine, wir haben nicht darüber gesprochen. Er und ich ... Ich weiß nichts.«
Willa stand auf und blickte der Frau ins Gesicht. Es fiel ihr nicht schwer, das Lügengebilde zu durchschauen.
»Er hat Ihnen irgendwas erzählt«, sagte Willa vorwurfsvoll.
»Nein, hat er nicht.«
»Ist mit meiner Familie alles okay? Ist es?«
»Willa, ich weiß es nicht. Ich ... er ... hör mal, wir können nichts von dem glauben, was er uns sagt.«
»Dann hat er Ihnen also etwas gesagt. Was?«
»Willa, ich kann nicht ...«
»Sagen Sie es mir!« Willa rannte zu Diane und schlug auf sie ein. »Sagen Sie es mir! Sagen Sie es mir!«
Draußen waren Schritte zu hören. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht. Dann wurde die Tür aufgeworfen. Quarry rannte zu Willa und hob sie hoch. Sie drehte sich zu ihm um und schlug ihn ins Gesicht.
»Sagen Sie mir, dass es meiner Familie gut geht! Sagen Sie es!«, schrie sie Quarry an.
Quarry funkelte Diane an, die ängstlich an die Wand zurückkroch. »Willa, hör auf«, befahl er.
Aber sie schlug ihn auf den verletzten Mund. Sie schlug und schlug und schlug.
»Daryl!«, brüllte Quarry.
Sein Sohn kam herein, eine Spritze in der Hand. Er zog die Schutzkappe von der Nadel und stach sie Willa in den Arm. Zwei Sekunden später hing das Mädchen schlaff in Quarrys Armen. Er gab sie seinem Sohn.
»Bring sie in ihre Zelle zurück.«
Als er mit Diane alleine war, drehte Quarry sich zu ihr um. »Was haben Sie ihr gesagt?«
»Nichts, ich schwör's. Sie hat nach ihrer Familie gefragt.«
»Sie haben ihr gesagt, dass Sie ihre Mutter sind?«
»Nein, das würde ich nie tun.«
»Was war dann, verdammt?«
»Sie ... Sie haben ihre Mutter umgebracht.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Aber mir haben Sie gesagt, sie sei tot. Ist sie es oder ist sie es nicht?« Quarry schaute zur Tür, dann wieder zu Diane. »Es war ein Unfall.«
»Na klar«, erwiderte Diane sarkastisch.
»Sie haben ihr gesagt, dass sie tot ist?«, fragte Quarry, und Wut keimte in ihm auf. »Nein, aber sie ist ein kluges Kind. Ich habe ihr gesagt, dass man Ihnen nicht trauen kann. Sie hat eins und eins zusammengezählt. Und wenn Sie uns gehen lassen, wird sie es ohnehin herausfinden.« Quarry funkelte sie an. »Sie hätten ihr das nicht sagen sollen.«
»Tja, nun, und Sie hätten ihre Mutter nicht ermorden sollen, ob es nun ein Unfall war oder nicht. Und Sie hätten uns nicht entführen sollen. Und im Augenblick ist es mir eigentlich ziemlich egal, ob Sie mich umbringen oder nicht. Fahren Sie zur Hölle, Mr. Sam.«
» Da bin ich bereits, Lady. Seit Jahren schon.«
Er warf die Tür hinter sich zu.
70.
J ane Cox atmete rasch durch und warf einen Blick in das Schließfach. Bis jetzt war das Fach jedes Mal leer gewesen, wenn sie es geöffnet hatte, doch heute lag ein weißer Umschlag darin. Jane schaute sich um, hob ihre Handtasche dicht an das Fach und ließ den Umschlag darin verschwinden.
Sie war gerade wieder in die Limousine eingestiegen, als jemand ans Fenster klopfte. Jane schaute zu ihrem Sicherheitschef. »Fahren wir.«
Doch anstatt loszufahren, wurde die Wagentür geöffnet. FBI Special Agent Waters stand draußen. »Ich brauche den Brief, Mrs. Cox.«
»Wie bitte? Wer sind Sie?«
Waters hob seine Dienstmarke. »FBI. Ich brauche den Brief«, wiederholte er.
»Was für einen Brief?«
»Den Brief, den Sie gerade dort drüben abgeholt haben.« Er deutete über die Straße zu der Postfiliale.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wenn Sie mich jetzt bitte allein lassen würden.« Sie schaute zu ihrem Sicherheitschef. »Drew, sagen Sie dem Mann, er soll gehen.«
Drew Fuller, Veteran des Secret Service, blickte Jane nervös an. »Mrs. Cox, das FBI hat Sie vom ersten Tag an unter Beobachtung gehalten.«
» Was? «, rief Jane. Fullers resigniertem Blick nach zu urteilen war ihm bewusst, dass er sich demnächst auf einem nicht mehr ganz so vorteilhaften Posten wiederfinden
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