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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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sie am Straßenrand zurückzulassen, wie ein Stück Abfall -, hätte sie ihn beinahe bis zur Wegbiegung fahren lassen, bevor sie daran dachte, dass die Tasche mit ihren Kleidern noch hinten auf dem Wagen lag. »Ewan!«, rief sie. »Ewan! Meine Tasche!«
    Vielleicht hatte er sie gehört, vielleicht aber auch nicht. So oder so fuhr er um die Kurve und verschwand.
    Einen Augenblick später begann er zu schreien.
    Sie rannte die Straße hinunter. Hatte das Pferd vor etwas gescheut und Ewan vom Wagen geworfen? Er hatte geschrien, also musste er Schmerzen haben. Wo könnte sie Hilfe holen, wenn er sich schwer verletzt hätte, das Pferd durchgegangen war und sie deshalb keine Möglichkeit hatte, Ewan irgendwo hinzubringen?
    Sie rannte um die Kurve - und kam schlitternd zum Stehen. Die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf, als sie versuchte zu begreifen, was sie da sah.
    Der Wagen versank verkehrt herum im Wasser eines Teiches, der die halbe Straße bedeckte. Das Pferd trat  panisch um sich. Kein Zeichen von Ewan, aber sie glaubte, immer noch seine gedämpften Schreie zu hören.
    Vorsichtig und mit klopfendem Herzen näherte sie sich dem Wasser und dem strampelnden Pferd.
    »Ruhig, mein Junge«, flüsterte sie. »Ruhig.«
    Das Pferd schlug um sich, als würde das Geräusch einer vertrauten Stimme es nur noch mehr aufregen, anstatt es zu beruhigen. Als sich sein rechtes Vorderbein aus dem Wasser hob, sah sie eine seltsame, fleischige Ranke, die sich von der Schulter bis zur Fessel um das Bein geschlungen hatte. Und dann peitschten innerhalb eines Augenblickes zwei weitere Ranken aus dem Wasser. Ihre von Saugnäpfen bedeckten Unterseiten wickelten sich um den Hals des Pferdes und um sein anderes Vorderbein.
    Das Pferd schrie, als es hinuntergezogen wurde.
    Lynnea starrte den Teich an, beobachtete, wie das aufgewühlte Wasser sich rot färbte. Sie musste weg von diesem Ort. Wie weit war der letzte Hof entfernt, den sie gesehen hatte? Egal. Die Sonne ging unter. Sie musste von hier fort, so lange sie noch nach Fallen Ausschau halten konnte.
    Sie drehte sich um - und erstarrte. Rostfarbener Sand bedeckte die Straße. Er war noch nicht da gewesen, als sie um die Kurve gerannt war. Sie konnte nicht darüber hinwegspringen, und sie fürchtete sich davor, neben der Straße durch die Bäume zu laufen, um ihn zu umgehen.
    Was nur die Brücke übrig ließ.
    Reise leichten Herzens.
    Ein paar Schritte zurück, um mehr Abstand zum Sand zu gewinnen. Dann drehte sie sich um - und schluchzte auf. Die Wasserfläche hatte sich ausgebreitet. Nur ein dünner Streifen Straße blieb ihr noch, kaum breit genug, um darauf zu laufen. Wenn auch dieser erst einmal unter dem Wasser verschwunden wäre, gäbe es keinen sicheren Weg zur Brücke mehr.
    Sie hatte gehört, dass man, wenn man eine Brücke in eine andere Landschaft überquerte, an das dachte, was man auf der anderen Seite finden wollte. Dann würde man, wenn die Wächter der Herzens mit einem waren, an dem Ort ankommen, an den man gehörte.
    Was sie sich von ganzem Herzen wünschte, war ein Ort, an dem sie sich sicher fühlen konnte, an dem sie nicht die ganze Zeit Angst haben müsste. Ein Ort, an dem jemand sie liebte.
    Und das erinnerte sie an den seltsamen Traum, den sie letzte Nacht im Halbschlaf gehabt hatte. Sie hatte sich nach den Dingen gesehnt, die ihr nie begegnet waren … und die Stimme eines Mannes hatte versprochen, sie zu lieben, hatte gesagt …
    Komm zu mir.
    Selbst wenn es ihn wirklich gab, wie sollte sie ihn jemals finden?
    Keine Zeit zum Nachdenken. Keine Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Wenn sie jetzt nicht ginge, würde sie zwischen der Wasserfläche und dem rostfarbenen Sand gefangen sein.
    Reise leichten Herzens.
    Komm zu mir.
    Ich möchte in Sicherheit sein! Ich möchte geliebt werden! Ich möchte in Sicherheit sein! Ich möchte geliebt werden!
    Sie hob ihren Rock an und rannte über den schmalen Streifen Straße und über die Brücke und wiederholte wieder und wieder ihre Herzenswünsche. Als sie die andere Seite der Brücke erreichte, sah sie sich um und versuchte, einen Eindruck von dem Ort zu gewinnen, an dem sie angekommen war. Aber egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nichts erkennen.
    Weil auf dieser Seite der Brücke die Sonne bereits untergegangen war.
    Zerschlagen und schlecht gelaunt versuchte Sebastian, sich aus dem verworrenen Bettlaken und seinen ebenso verworrenen Träumen zu befreien. Er saß auf der Bettkante und strich sich mit

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