Sechs Richtige (German Edition)
sagte Fridtjof.
«Hm», machte Vanessa. «Fridtjof hört sich an …»
«Nein», sagte Fridtjof. «Sag es nicht.
Sag es einfach nicht
.»
«Was denn?»
«Ich möchte es einfach erleben, dass jemand mal
nicht
sagt, dass Fridtjof sich anhört wie
Friedhof
. Nur
einmal
. Das wäre herrlich.»
«Ist ja schon gut», sagte Vanessa.
«Ihr wohnt also hier?», fragte Astrid.
«Ja», sagte Friedhof. «Auf dem Oberland. Cuxhavener Straße 670 . Es ist leicht zu finden», fügte er dann noch hinzu.
«Wie, 670 ?», fragte Vanessa verwirrt. «So eine lange Straße gibt’s doch hier gar nicht.»
«Die Häuser sind speziell nummeriert», erklärte Friedhof, der natürlich jetzt für Vanessa seinen Namen weghatte. «Im Unterland beginnt es mit Haus Nr. 1 , das ist das Zollamt auf der Frachtmole, und endet bei 299 in der Husumer Straße. Und die Häuser im Oberland beginnen mit 301 , das ist die Wohnungsanlage Fernsicht, und enden bei 718 am Mehrfamilienwohnhaus in der Leuchtturmstraße. Gebäude mit Hausnummern über 1000 gehören zum Hafen. Insgesamt gibt es 108 Straßen, Wege und Gassen auf Helgoland. Noch Fragen?»
«Danke», sagte Vanessa. «Das ist natürlich für die Allgemeinbildung unglaublich von Vorteil, dass man weiß, dass das Zollamt auf der Frachtmole die Nummer 1 ist.»
«Meine Güte, halt doch mal die Klappe», wurde sie von ihrem Bruder zurechtgewiesen. «Ich bin übrigens Jan», sagte er dann zu Friedhof.
«Ich weiß.» Friedhof grinste noch mehr. «Das könnt ihr euch gleich merken – hier weiß jeder alles. Meistens noch bevor man selbst es weiß.»
«Das finde ich richtig geil», sagte Antonia. «Aber so richtig.» Sie sehnte sich jetzt schon nach der Anonymität in Frankfurt.
Friedhof stand auf. «Ich treffe mich jetzt mit ein paar Freunden am Hafen. Hast du Lust mitzukommen?»
«Nein danke», sagte Vanessa hoheitsvoll. «Außerdem habe ich einen Freund.» Es war sicher besser, den von sich überzeugten Suppen-Friedhof gleich in seine Schranken zu weisen. Sie verschränkte die Arme und sah ihn herablassend an.
«Dich meinte ich ja auch gar nicht», sagte Friedhof. «Sondern deinen Bruder.»
Eine Woche später
«Ich bin mit Fridtjof unterwegs!», rief Jan seiner Mutter zu, die im Arbeitszimmer saß und Unterlagen sortierte.
«Machst du eigentlich auch noch mal was anderes?», fragte Astrid, die allerdings nicht unglücklich darüber war, dass Jan nur noch
unterwegs
war. So langsam hatten sie sich eingewöhnt, und Jan war der Erste gewesen, der bereits nach einem Tag alles gar nicht mehr so schlimm gefunden hatte, was natürlich auch mit an Fridtjof lag.
So nach und nach kam der Alltag. Zwar waren noch Ferien – und zuletzt hatte die Jugendherberge einige Zeit leergestanden, damit die Familie sich eingewöhnen konnte, aber morgen würde eine Gruppe Frauen anreisen. Es war ja nicht so, dass in Jugendherbergen nur Jugendliche wohnten. Und diese Frauengruppe schien ziemlich merkwürdig zu sein. Irgendeine Erika Krohn rief dauernd an und fragte, ob es wirklich so viele Vögel auf dem Oberland gab und ob sie wirklich so viel Krach machten. Das würde sie doch sehen, wenn sie hier war.
Tausend Sachen mussten organisiert werden, Lebensmittel bestellt und so weiter. Es war natürlich hier etwas ganz anderes als zu Hause. Einerseits war überall Urlaubsstimmung, denn nicht nur Tagestouristen, sondern auch normale Urlauber waren hier und fuhren jeden Tag mit dem Boot rüber zur Düne, um dort den ganzen Tag zu baden, sich zu sonnen und in dem kleinen Restaurant zu essen, aber Astrid und Hanno mussten arbeiten. Aber sie taten es gern – vor allem, weil sie ja etwas wirklich Tolles dafür bekamen: eine Menge Geld nämlich. Und, das musste Astrid zugeben, es machte Spaß, es war mal was anderes.
Und dann war da noch eine größere Sache. Im August war die Herberge den ganzen Monat lang von einer Agentur gebucht, und Astrid las sich das Schreiben, das sie diesbezüglich bekommen hatten, noch mal durch. Wieso musste «Diskretion» herrschen, und wieso sollte niemand von der Anwesenheit der Leute erfahren? Warum um alles in der Welt sollte man Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben? Und warum sollte sie unbedingt noch mal bei dieser Frau Gunkel von so einer Marketingagentur anrufen, die das alles organisiert hatte? Sie war schon zweimal auf dem Anrufbeantworter gewesen und hatte um Rückruf gebeten, aber Astrid war einfach noch nicht dazu gekommen.
Jetzt aber wählte sie die Nummer.
Und eine
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