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Sechs Richtige (German Edition)

Sechs Richtige (German Edition)

Titel: Sechs Richtige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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geschleudert werden.
    Das Personal sah genauso verzweifelt aus wie die Passagiere. Im vorderen Bereich fingen jetzt einige Leute zu kreischen an, vielleicht weil gerade wieder eine Riesenwelle den Kat zum Aufbäumen gebracht hatte.
    Es war entsetzlich. Antonia und Vanessa hingen in ihren Sitzen und versuchten, halbwegs ruhig zu atmen, Jan hatte das Gesicht verzogen und sah aus, als wäre er 5 Jahre alt und sauer darüber, dass er vor dem Mittagessen keine Schokolade bekommen hatte. Lilly saß ebenfalls ruhig da, jammerte nicht und weinte auch nicht, sie saß einfach nur da und wartete ab.
    «Ist alles gut?», fragte Astrid, und sie nickte.
    «Man kann es ja nicht ändern», sagte Lilly und zuckte mit den Schultern. «Auf Helgoland, also auf der Düne, da ist eine kleine Zusatzinsel neben der eigentlichen Insel mit einem tollen Sandstrand und einem Restaurant, und da gibt es einen Friedhof der Namenlosen. Da sind die Leute begraben, die angespült wurden und nicht mehr zu identifizieren waren.»
    «Was willst du mir denn damit sagen?», fragte Astrid, die es langsam mit der Angst zu tun bekam.
    Lilly sah sie ernst an. «Nichts, Mama. Gar nichts.»
    «Das ist so zum Kotzen», sagte Antonia zu Vanessa.
    «Halt den Mund, sonst muss ich wirklich kotzen», sagte Vanessa, der mittlerweile kalt und schwindelig war.
    «Du wirst hier ja wohl nicht hinkotzen», regte Antonia sich auf. «Das wäre ja das Allerletzte.»
    «Wenn man kotzen muss, muss man kotzen», sagte die Schwester und drehte sich zu den Leuten um, die neben ihr saßen. «Stimmt doch, oder?»
    Ein gutaussehender Junge in Jans Alter sah sie gelangweilt an, dann seine jüngere Schwester, die ungefähr so alt wie Lilly sein musste und die neben ihm hockte.
    «Klar», sagte er und grinste, und Vanessa schloss die Augen. Eine Minute später hörte sie Würgegeräusche von rechts. Der Junge und seine Schwester hielten sich Plastiktüten vors Gesicht. «O Gott!», rief die Schwester. «O Gott!»
    Dann erbrachen sich beide in ihre Tüten.
    Die Mutter der beiden wurde knallrot. «Fridtjof! Bonnie!», rief sie und wollte ihnen die Tüten wegnehmen, was keiner, der das sah, verstand.
    Dafür begann Vanessa nun ebenfalls zu würgen, was so grauenhaft war, dass Antonia sich die Ohren zuhielt.
    Währenddessen kotzten Bonnie und ihr Bruder weiter und schrien dabei zum Gotterbarmen. Wenigstens kotzten sie so diskret, dass man nicht sah, was aus ihnen rauskam. Sie hielten die Tüten dicht vor den Mund.
    «Es ist nicht das, wonach es aussieht», sagte die überforderte Mutter und versuchte immer noch, ihren Kindern die Tüten zu entreißen.
    Und dann hörten die beiden plötzlich auf zu würgen, sahen sich an, und Fridtjof sagte: «Jetzt hab ich aber richtig Hunger bekommen.»
    «Ich auch», nickte Bonnie, und beide nahmen Löffel, die vor ihnen in den Netzen steckten, und begannen, den Inhalt der Tüte herauszulöffeln und zu essen.
    «Mmmhmm», machten beide. «Ist das lecker, mmmmhmmmmm!»
    Das war zu viel für Vanessa und Antonia. Sie starrten verzweifelt geradeaus und versuchten, nicht an ihre Mägen zu denken. Nein, nein, nein. Sie würden sich jetzt hier nicht übergeben. Nicht vor diesen Sitznachbarn, die ganz offenbar nicht mehr ganz dicht waren. Die gestört waren. Die in eine geschlossene Anstalt gehörten.
    Astrid, die das alles mitbekommen hatte, betete zu Gott, dass wenigstens der Mensch, der dieses Schiff steuerte, einigermaßen fit blieb. Der Friedhof der Namenlosen fiel ihr ein.
    Warum auch immer.
    Später, als sie am Hafen ankamen, hatten sich sowohl das Wetter und als auch die Mägen beruhigt.
    «Mir tut das so leid», sagte die Mutter von Bonnie und Fridtjof. «Das machen die beiden immer.»
    «Wie grauenhaft», sagte Astrid, die nur noch festen Boden unter den Füßen haben wollte. Sie war so müde und ausgelaugt, dass es nicht in Worte zu fassen war. Sie fand diese Kinder schrecklich.
    «Das war kalte Erbsensuppe», erklärte die Mutter mit rotem Kopf. «Die haben sie vorher in die Plastiktüten gefüllt. Sie haben nur so getan, verstehen Sie? Und dann haben sie die kalte Suppe aus der Tüte gelöffelt. Mir ist das so unangenehm. Jedes Mal schaffen sie es wieder. Fragen Sie mich nicht, wie. Wir wohnen übrigens auf Helgoland. Ich bin Rieke Küster.»
    Fast musste Astrid lachen. Erbsensuppe. Sehr hübsch. Wenigstens war die Überfahrt nicht langweilig gewesen. Sie hoffte allerdings, dass Fridtjof und Bonnie nicht noch mehr solcher tollen Ideen

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