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SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
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Was, wenn sie im Krankenhaus ankäme und das Zimmer nun leer oder gar von einem anderen Patienten belegt sein würde? Die Vorstellung brachte sie fast um den Verstand.
    Nahezu ihr halbes Leben hatte sie mit diesem Mann verbracht, war zusammen mit ihm erwachsen geworden. Dieser Mann war der Boden, auf dem sie immer gewandelt war, ohne je nennenswert zu wanken. Mehr als das. Er war wie eine Festung, innerhalb deren Mauern sie sich immer beschützt gefühlt hatte.
    Corinna ihrerseits dachte und empfand nichts. In ihr breitete sich eine abgrundtiefe Leere aus. Sie fühlte sich ausgelaugt und müde, saß in sich zusammengesunken auf dem Beifahrersitz und starrte auf die vorbeifliegenden Fassaden.
    Die Fahrt durch den einsetzenden Feierabend-Verkehr dauerte rund zwanzig Minuten und sie hätten wohl auch noch länger gebraucht, wenn sich Melanie nicht bemüht hätte, die Geschwindigkeitsbegrenzung zu übertreten, wo immer es ihr möglich war.
    Kurz nach sechzehn Uhr trafen sie am Krankenhaus ein. Sowohl über den Parkplatz als auch bis zur Station G 1 legte Melanie einen Schritt hin, dem Corinna nur mit Mühe folgen konnte.
    Sie mussten nicht klingeln. Die Tür zur Station ließ sich einfach öffnen und es war auch niemand da, der sie aufhielt.
    Mit jedem Schritt, den Melanie durch den langen Flur tat, dem Zimmer von Frank näher kam, durchlebte sie Höllenqualen. Jetzt stellte sich nicht mehr nur die Frage, wie schlimm es um Frank stünde, sondern auch die, ob sie ihn überhaupt wiedersehen würde. Und so war jeder Schritt näher, einer weniger auf dem Weg zu Gewissheit - im Guten wie im Schlechten.
    Auch Corinnas Hirn arbeitete wieder. Die trostlose Atmosphäre der Station hatte sie aus ihrer Erstarrung gerissen und die Apathie wich einem Gefühl der Beklemmung. Sie fürchtete sich vor der Erkenntnis, ihre Schwester könne zwei kleinen Kindern tatsächlich den Vater genommen haben. Sie fürchtete sich davor, den Zusammenbruch einer Frau zu erleben, der sie in grenzenloser Selbstüberschätzung und Anmaßung ihre Hilfe angeboten hatte und jetzt, da es darauf ankam, wahrscheinlich keine Hilfe sein konnte. Wie denn auch? Dieses Leid konnte niemand abfangen, am allerwenigsten die Schwester der Frau, die für all das hier verantwortlich war. Das warf die nächste Frage auf. Nämlich die, ob sie Melanie in das Zimmer ihres Mannes folgen sollte?
    Dann waren die beiden Frauen angekommen.
    Die Jalousien hinter der Scheibe waren geschlossen.
    Jetzt wünschte sich Melanie hindurchblicken zu können. Sie wollte den Raum nicht erst betreten, um festzustellen, dass Frank nicht mehr in seinem Bett läge. Denn sie fürchtete, seine Anwesenheit noch riechen zu können und wäre das Bett leer, würden weder ihr Hirn noch ihr Herz diesen Widerspruch begreifen.
    Melanie legte die Hand auf die Klinke. Zitternd. Sekunden verstrichen, ohne dass sie es wagte, den Griff herunterzudrücken. Corinna, die Melanies Angst spürte, trat wortlos an ihre Seite und legte ihre Hand sanft über die von Melanie.
    Melanie schaute Corinna an. Überraschung, aber auch Dankbarkeit lag in ihrem Blick. Dann nickte sie. Beide Frauen atmeten tief durch und drückten den Türgriff mit vereinten Kräften nach unten.

-34-
     
    In der Krankenhausverwaltung herrschte hektische Betriebsamkeit. Man hatte in Kühlfach Nummer vier die Leiche von Marija Zwetkow gefunden. Wie sie dort hingekommen war, vor allem warum, war jedem ein Buch mit sieben Siegeln. Alles, was man mit Sicherheit hatte feststellen können war, dass ihr Genick gebrochen war.
    Der jetzt diensthabende Stationsarzt Doktor Reitz hatte eine erste Leichenschau noch vor Ort vorgenommen und, nachdem er einen nicht natürlichen Tod attestieren musste, die Kriminalpolizei eingeschaltet.
    Die Kripo traf mit der Spurensicherung im Gefolge ein und beschlagnahmte die Leiche. Der Kühlraum, die Tote, ja selbst der Putzwagen von Marija wurden auf verwertbare Spuren untersucht. Sowohl die anwesenden Ärzte als auch alle anderen Angestellten wurden durchleuchtet. Jeder Stein wurde umgedreht, und das streute vorerst Sand ins Getriebe der Krankenhaus-Routine.
    Irgendwann wurde der Körper in einen hermetisch abschließbaren Plastikbehälter verpackt und in das Spezialfahrzeug der Gerichtsmedizin geladen.
    Kurze Zeit später fanden sich die sterblichen Überreste der Putzfrau Marija Zwetkow im Annahmeraum der Leichensachbearbeitung des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin wieder.
    Dort wurde Marija

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