SECHS
Abhängigkeiten, die sie hielten. Und sie wusste nicht, wen sie für diese Zwangsjacke mehr hasste - sich selbst oder ihn.
Gerade stand er bei einem Mann, den Swantje noch nie zuvor gesehen hatte. Das Gespräch machte einen intensiveren Eindruck, als all die anderen zuvor. Am Gesicht und der Körperhaltung ihres Mannes erkannte sie, dass dieser Mann wohl von einiger Bedeutung war.
Bestätigt wurde sie in dieser Einschätzung, als sie verblüfft feststellte, dass Arthur ihm eine Hand auf die Schulter legte. Das passte überhaupt nicht zu ihm. Gesten der Verbundenheit waren noch nie seine Stärke. Das galt auch für die eigene Ehe.
Jetzt lachten beide. Dann, als Arthur etwas sagte, nickte der Unbekannte ernst und beide verschwanden mit ihren Sektgläsern in Richtung Arbeitszimmer. Das Ganze sah schon sehr konspirativ aus, fand Swantje.
Sie wurde neugierig.
-37-
Der Mann, der Rentsch in das Arbeitszimmer folgte, war Marcus Heydarian. Er war das Sprungbrett zum Glück des Arthur Rentsch und derjenige, auf dessen Anruf Rentsch zum Ende einer jeden Woche fieberhaft wartete. Heydarian war damit einer der VIP der Veranstaltung und hatte damit auch eine Sonderbehandlung verdient. Ganz genauso wie Yasmin. Doch darum würde er sich später kümmern.
Rentsch bat seinen Gast in dem schweren, nach altem Leder riechenden Sessel, Platz zu nehmen. Das ganze Arbeitszimmer war im englischen Kolonialstil eingerichtet, ganz so, wie er es sich auch für sein Büro wünschte. Dunkles Holz beherrschte das Zimmer. Ein schwerer, rotfarbener Teppich lag auf dem Boden und einige kleinere hingen an den Wänden. Hier und da standen hölzerne Tierfiguren herum. Insbesondere Elefanten. In verschiedenen Größen dominierten sie diesen Holz-Zoo. Zwischen zwei Teppichen an der Wand glotzten die Glasaugen eines ausgestopften Gazellenkopfes auf den Besucher herunter.
Aus einem alten Mahagonischrank holte Rentsch jetzt seinen besten Whisky heraus. Einen 1957er Auchentoshan; in edlen Sherryfässern gereift und fünfzig Jahre später abgefüllt. Von diesen Flaschen existierten weltweit nur hundertvierundvierzig Stück. Fast dreitausend Euro hatte Rentsch dafür hingeblättert. Das ließ er seinen Gast selbstverständlich wissen.
„Das sind dann ja ... über viertausend Euro pro Liter!“, errechnete Heydarian mit Blick auf die Abfüllmenge anerkennend.
Rentsch lächelte.
„Genießen Sie ihn. Zum Wohl!“, sagte Rentsch.
Beide Männer erhoben ihr Gläser, schwenkten den Whisky respektvoll und ließen ihn genüsslich auf der Zunge zergehen.
„Sie wissen, wie man einen Whisky trinkt", lobte Rentsch.
„Wunderbarer Tropfen. Den könnte ich mir nie leisten.“
„Sagen Sie das nicht. Wir bleiben doch im Geschäft, wir beide?“
„Langsam wird es mir zu heiß. Was fangen Sie eigentlich mit all den Daten an, die ich Ihnen besorge?“
Die Frage hatte Rentsch erwartet. Eigentlich war sie schon überfällig. Die Antwort darauf hatte er sich deswegen bereits lange zuvor zurechtgelegt und so kam sie auch ohne Zögern.
„Naja, die Stadtkassen sind leer. Wir wollen die Gewinner davon überzeugen, etwas für das Allgemeinwohl zu tun, etwas von ihrem neu gewonnenen Reichtum abzugeben.“
„Gewinne sind doch steuerfrei", gab Heydarian verwundert zu bedenken.
„Schon. Es geht hier auch nicht um eine Steuer, sondern darum, die Glücklichen davon zu überzeugen, eine Spende zu leisten.“
Er zwinkerte Heydarian zu.
„Und weil wir nicht bekanntgeben, wer die Gewinner sind, brauchen Sie jemanden, der an die Namen herankommt.“
„Genau so sieht es aus", bestätigte Rentsch.
„Ich verstehe Ihr Anliegen, aber was ich hier tue ist eine Straftat.“
Rentsch schüttelte den Kopf.
„Manchmal bedarf es ungewöhnlicher Mittel, um den Bürgern zu dienen. Erinnern Sie sich daran, dass die Bundesregierung eine CD mit Daten von Steuersündern gekauft hat? Was war das?“
Er lehnte sich lässig in den Sessel zurück und schwenkte wieder den Whisky.
„Hehlerei, würde ich sagen. Die Daten waren geklaut.“
„Nein. Waren sie nicht!“, rief Rentsch grinsend aus.
Heydarian war die Verwunderung ins Gesicht geschrieben.
„Daten sind nach dem Gesetz keine Sache. Sie können also gar nicht gestohlen werden. Allenfalls könnte hier der Tatbestand des Ausspähens von Daten greifen.“
Heydarian hörte Rentsch interessiert zu und nippte gebannt an seinem Auchentoshan.
„Und was die Hehlerei angeht ... wie kann man sich zum Hehler machen, wenn man
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