Sechseckwelt 01 - Die Sechseck-Welt
verschlungen, samt den Knochen. Es mußte 150 Kilogramm gewogen haben. Dann huschten sie davon.
Sieben Tage, dachte er. Bei unserer Geschwindigkeit werden wir sieben Tage in ihrem Land sein. Und das auch nur, wenn alles gutgeht. Warum hatte er nur zugelassen, daß Wuju mitgekommen war. Allein, oder auch mit Cousin Bat, wäre es kein Problem gewesen.
Was war die Liebe wirklich? Sie hatte gesagt, Liebe sei es, wenn einem ein anderer wichtiger sei als die eigene Person.
Nur müde, hatte der Zentaur in seinem Traum gesagt. Er war auch müde. Er hatte es satt, blind durch seine vielen Leben zu rennen. Was gingen ihn die Murnies an, was scherte ihn Skander?
Warum habe ich so lange gelebt? dachte er. Nicht altern war nicht genug. Die meisten Leute starben ohnehin nicht an hohem Alter. Irgend etwas brachte sie vorher ums Leben.
Ihn nicht.
Er hatte stets überlebt. Mitgenommen, blutend, tausende Male halb tot, aber irgend etwas in ihm wollte ihn nicht sterben lassen.
Er erinnerte sich plötzlich an den Fliegenden Holländer, der mit einer Geistermannschaft die Meere der Welt umsegelte, allein, bis auf einen kurzen Urlaub alle fünfzig Jahre, verdammt, bis eine schöne Frau ihn so innig liebte, daß sie bereit war, ihr Leben für ihn hinzugeben.
Wer befiehlt dem Holländer? fragte er den Wind. Wer hat ihn zu seinem Schicksal verdammt?
Das ist Psychologie, dachte er. Der Holländer, Diogenes – das bin alles ich. Deshalb bin ich anders.
Alle die Millionen im Lauf der Jahrhunderte, die sich getötet haben, als niemand sich um sie scherte. Nicht ich, ich bin verflucht.
Dieser Mann aus – wie hieß das Land? England, ja. Orwell. Hatte ein Buch geschrieben, in dem stand, daß eine totalitäre Gesellschaft sich durch die grundlegende Eigensucht des einzelnen aufrechterhält. Als es darauf ankam, verrieten Held und Heldin einander.
Jeder glaubte, er spräche von der Angst vor einem zukünftigen totalitären Staat, dachte Brazil bitter. Das stimmte nicht. Er sprach von den Menschen um ihn herum, in seiner eigenen aufgeklärten Gesellschaft.
Du warst zu gut für diese schmutzige kleine Welt, hatte er gesagt, aber er war geblieben. Warum? Im Scheitern?
Wessen Scheitern? fragte er sich plötzlich verwirrt. Er hatte die Antwort beinahe, aber sie entglitt ihm wieder.
Plötzlich nahm er hinter sich eine Bewegung wahr und fuhr herum. Wuju kam langsam heran. Er betrachtete sie forschend, als hätte er sie noch nie gesehen. Ein schokoladenbraunes Mädchen mit spitzen Ohren, verschmolzen mit einem braunen ShetlandPony. Und trotzdem paßte es, dachte er. Zentauren wirkten stets edel und schön.
»Sie hätten einen von uns rufen sollen«, sagte sie leise. »Die Sonne steht fast senkrecht. Ich dachte, Sie schlafen.«
»Nein«, erwiderte er träge. »Habe nur nachgedacht.« Er blickte hinunter in das Tal, in dem es jetzt von rehähnlichen Tieren und Murnies zu wimmeln schien.
»Worüber?«
»Über Dinge, an die ich ungern denke«, sagte er rätselhaft. »Sie suchen mich heim, auch wenn ich nichts davon weiß.«
Sie beugte sich vor und küßte ihn auf die Wange.
»Ich liebe dich, Nathan«, flüsterte sie.
Er stand auf und ging in die Höhle hinein. Im Vorbeigehen tätschelte er ihr Hinterteil. Als er sich neben Cousin Bat ausstreckte, sagte er ganz leise, mit einem schiefen Lächeln, zu sich selbst: »Tust du das, Wuju? Tust du das wirklich?«
Die Baronie Azkfru, akkafisches Reich
Der Baron wirkte, wenn das möglich war, eher noch majestätischer, und Datham Hain war von ihrer wochenlangen Arbeit in den Dunggruben völlig zermürbt.
»Du hast deinen Namen jetzt wieder, Mar Hain«, erklärte der Baron in gottähnlichen Tönen.
Für Hain glich das der Erhebung zum höchsten Herrscher der Galaxis, und sie fühlte sich dem Baron, von dem alle Segnungen ausgingen, nur um so tiefer verbunden.
»Ich habe jetzt eine Aufgabe für dich«, sagte der Baron. »Sie erfordert Treue und Hingabe und deine ganze Intelligenz und Verschlagenheit. Wenn du versagst, bist du für ewig verloren. Wenn du Erfolg hast, wirst du als Hauptkonkubine nicht deines Barons, sondern des Herrschers vielleicht nicht nur über dieses Reich deinen Platz einnehmen. Paß gut auf, Mar Hain. Bald wirst du drei Fremde kennenlernen. Du bekommst ein Dolmetschgerät, damit du alles verstehen kannst. Zwei davon sind Neuzugänge und können sich vielleicht in der nicht übersetzbaren Sprache deines alten Lebens verständigen. Es ist also besser, wenn du Dummheit und
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