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Second Face

Second Face

Titel: Second Face Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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müssen. Wie peinlich!
    Aber Tarao findet das nicht so schlimm. Als hätte er ihre Gedanken erraten, kommen seine Worte: »Wir waren alle mal neu hier. Ist ja auch verwirrend, wenn man sich nicht auskennt. Willst du einen Ausflug machen?«
    Arabella schüttelt den Kopf. »Ich möchte mich neu einkleiden, aber weiß nicht wie. Und äh … irgendwie eine neue Haut mit Prim … also nicht nur Kleidung. Ich will ganz neu werden, ganz anders.«
    Tarao nickt. »Kein Problem. Du kannst alles ändern. Willst du groß sein oder eher klein, schlank? Willst du ein ovales Gesicht oder rundlich? Schlitzaugen oder kugelrunde? Erfinde dich ganz neu! Es gibt für all diese Dinge extra Shops.«
    »Kostet das was?«
    »Na ja, kommt darauf an. Es gibt ’ne Menge Freebies. Da kannst du Schnäppchen umsonst machen. Aber wenn du zum Beispiel Schuhe mit eingebautem ›Sexy Walk‹ haben willst, die kosten ’ne Menge Linden-Dollars.«
    Marie hämmert auf ihre Tasten. Rechter Mausklick. Funktionen. Wo war das noch?
    »Bist du noch da, Arabella?«
    »Ja, ich will lachen, aber weiß nicht wie. Ah, jetzt habe ich es.«
    Während sich Arabella den Bauch vor Lachen hält, schreibt Marie: »An Schuhe mit Sexy Walk habe ich nicht gedacht. Und Geld habe ich auch nicht.«
    »Bei Kleidung auch nicht so unbedingt nötig. Aber zum Beispiel bei der Haut oder bei den Haaren ... Wenn du individuell aussehen willst, musst du schon was investieren. Ich könnte dir was leihen.«
    Marie schüttelt den Kopf. Sie leiht sich bestimmt kein Geld von einem Fremden. Aber wie schüttelt man den Kopf mit dem Avatar? Während Marie nach der Taste sucht, damit Arabella den Kopf schütteln kann, redet Tarao weiter: »Das ist kein Problem. Es ist ja kein echtes Geld. Es sind Linden-Dollars, die Währung in SL. Ich hab genug davon. Irgendwann zahlst du sie mir zurück.«
    Es ist im Grunde doch nur ein Spiel, denkt Marie. Mit Spielgeld. Wie Monopoly. Da leiht man sich auch Geld von der Bank, macht Schulden, geht pleite und keiner macht sich Gedanken darüber oder hat gar ein schlechtes Gewissen.
    Also nickt Arabella mit dem Kopf, statt ihn zu schütteln. Wenn dieser Tarao ihr unbedingt Geld leihen will, soll er das machen. Und der Rest findet sich.
    Gemeinsam mit Tarao zieht Arabella durch die Shops, ohne danach zu fragen, wie viel es kostet. Es sind ja nur Linden-Dollars.
    Zuerst kommt der Körper dran, dann die Haut. Alles vom Feinsten. Auf der neuen Haut kann man sogar die kleinen Härchen erkennen, so natürlich wirkt sie. Tarao bezahlt, ohne mit der Wimper zu zucken, was auch immer Arabella sich aussucht. Ein Kleid von Versace, eine Handtasche von Gucci, Markenklamotten, die sich sonst nur die berühmtesten Hollywoodstars leisten können.
    Zwei Stunden später ist Arabella nicht mehr wiederzuerkennen: Schwarze lange, lockige Haare umrahmen ein braun gebranntes Gesicht, aus dem blaue Augen wie zwei Sterne leuchten. Volle Brüste schauen aus einem eng anliegenden silbrig schimmernden Kleid heraus. Die Füße stecken in schwarzen Stiefeln, die bis zu den Knien gehen. Und sie haben einen eingebauten Sexy Walk. Tarao hat sie dazu überredet.
    »Wow!« Tarao ist beeindruckt. Er betrachtet sie von allenSeiten. »Du siehst super aus.« Arabella sonnt sich in seiner Bewunderung. »Du bist die schönste Frau im Second Life.«
    Auch wenn Marie an ihrem Laptop über so viel virtuelle Begeisterung grinsen muss, fühlt es sich gut an.
    Tarao findet, dass man Arabellas Verwandlung in einer Cocktailbar feiern muss. »Ich weiß eine richtig schicke Bar in Tokio.«
    Ach ja, Tokio. Wenn Anne wüsste, dass Marie mal eben zum Cocktailschlürfen nach Tokio fliegt!
    Die Bar ist voll mit anderen Avataren. Sie alle schauen Arabella bewundernd an.
    »Du siehst toll aus!«
    »Echt heiß! Wo hast du die denn gefunden, Tarao?««
    Die Komplimente umschwirren Arabella, Marie am Computer ist nun doch ein wenig erschrocken über die ungewohnte Aufmerksamkeit. Arabella setzt sich schüchtern neben Tarao an einen Tisch, schlürft einen virtuellen Cocktail nach dem anderen und lässt sich am Ende sogar überreden, zusammen mit anderen weiblichen Avataren auf dem großen Tisch in der Mitte zu tanzen.
    Es ist lange nach Mitternacht, als Marie den Laptop schließt. Todmüde fällt sie ins Bett und todmüde fährt sie hoch, als der Wecker klingelt. In der Dusche lässt sie sich lange kaltes Wasser über den Körper laufen, um wach zu werden.
    Im Bus zwinkert Tom ihr zu. Marie lächelt vorsichtig zurück.

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