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Second Face

Second Face

Titel: Second Face Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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Warst du schon mal verliebt, im echten Leben?«
    Marie schweigt.
    Und wenn Tarao sie gedrängt hätte, hätte sie weiter geschwiegen.
    Aber Tarao sitzt nur da und wartet.
    Und dann erzählt Arabella die ganze Geschichte von ihr und Anne und Lirim. Natürlich ohne Namen zu nennen.
    Als sie endet, schweigt Tarao zunächst. Dann schüttelt er den Kopf. »Oha! Wer hätte das gedacht? Das sind ja echte Neuigkeiten. Na, deine Schwester ist wirklich heftig!«
    Arabella schweigt.
    »Und mit dem Jungen am Strand hättest du es gemacht?«, fragt Tarao.
    Marie zuckt zusammen. Sie will darüber nicht weiterreden. Es ist sinnlos. Hätte, wäre, könnte. Sie hat Lirim für immer verloren. Punkt aus. Auch wenn es immer noch wehtut.
    »Hey, Bella. Du schuldest mir noch ’ne Antwort. Hättest du? Mit ihm?«
    »Ich kenn ihn ja kaum. Es war doch nur ein Wochenende.«
    In diesem Moment geht die Sonne im Meer unter.
    Marie loggt sich aus, bevor der virtuelle Himmel sich rot färben kann. Ihre Finger zittern. Sonnenuntergänge kann sie nur mit Lirim genießen.
    Lange sitzt sie traurig vor dem schwarzen Bildschirm.

17
    Tarao gehört zu den Leuten, die im Second Life tatsächlich gut Geld verdienen. Ihm gehört nicht nur die Insel, auf der er wohnt. Er besitzt auch noch an verschiedenen anderen Orten Land. Er hat eine Eventagentur und organisiert für Firmen Konferenzen, Konzerte und Lesungen, und das alles in eigenen Räumlichkeiten, sodass er an einem Ereignis mehrfach verdient. Für die Organisation, die Werbung und für die Vermietung der Räume.
    Am meisten Geld aber verdient er mit der Organisation von virtuellen Hochzeiten. Er sorgt für die Musik, den Blumenschmuck, bei Bedarf stellt er eine Hochzeitskutsche zur Verfügung, kümmert sich um die Einladungen und die Feier. Sogar das Hochzeitsbett mit einem rosa und einem blauen Animationsball für die Hochzeitsnacht baut er nach den Wünschen des Paares individuell, mal mit Baldachin, mal als Unterwasserbett, den Wünschen sind auch hier keine Grenzen gesetzt.
    »Hochzeiten? In Second Life?«
    Marie ist entsetzt. Das virtuelle Leben hat sie fast täglich mit neuen überraschenden Erlebnissen versorgt, aber eine Hochzeit?
    »Aber es ist doch nur ein Spiel!«, lässt sie Arabella sagen.
    Da ist Tarao zum ersten Mal wütend geworden. »Nur ein Spiel? Wach auf, Arabella. Bist du hier, weil du spielen willst? Oder weil du hier findest, was du im wirklichen Leben nicht hast? Wo ist der Freund, der mit dir jeden Abend verbringt, ganze Nächte durchquatscht? Ist das nur ein Spiel? Die Gespräche, die wir haben? Wem hast du von deinemStrandjungen erzählt in deinem sogenannten wirklichen Leben?«
    Er hat ja recht, denkt Marie vor ihrem Bildschirm und schämt sich ein wenig. Sie hat ja nicht mal mit Anne über Lirim geredet. Im wirklichen Leben hat sie keine Freunde. Selbst Tom hat keine Zeit mehr, weil er fürs Abitur lernen muss. »Ich mach ’ne Pause mit Second Life!«, hat er ihr gesagt. »Aber du hast doch sicher schon eine Menge Freunde gefunden in deinem neuen Leben. Oder?«
    Freunde zu finden ist nicht schwer. Rechter Mausklick auf einen Avatar, der dir gefällt, du fragst, ob er dein Freund werden will, und wenn er ja sagt, steht schon einer mehr auf deiner Liste. Ablehnen gehört sich nicht.
    Tarao hat recht: Freunde hat sie nur in SL. Selbst Valerie, ihre beste Freundin aus der alten Schule, meldet sich auch nur noch selten über Facebook.
    Verletzt durch ihr langes Schweigen hat sich Tarao an einen anderen Ort teleportiert. Zum Glück kann sie ihn durch einen rechten Mausklick orten und hinterherfliegen.
    Er sitzt auf einem Felsen hoch über dem Meer und sieht sehr traurig aus. Sie landet behutsam neben ihm.
    »Es tut mir leid!«, sagt sie. »Es stimmt, was du sagst. Es ist mehr als ein Spiel. Außer dir kennt niemand die Geschichte mit dem Jungen.«
    Er schweigt, auch als sie sich neben ihn setzt und den Arm um ihn legt. Zum ersten Mal macht sie das. Bislang ist es immer von Tarao ausgegangen. Aber auch jetzt sagt er nicht mehr viel. Er verabschiedet sich kurze Zeit später und verschwindet.
    Auch Marie loggt sich aus, liegt noch lange wach auf ihrem Bett. Nie wieder wird sie SL als Spiel bezeichnen. Hoffentlich verzeiht er ihr. Sie hat plötzlich Angst, auch Tarao zu verlieren.
    Als Marie sich am nächsten Abend einloggt, findet sie Tarao verändert. Sie kann nicht genau sagen was, aber irgendetwas an ihm ist anders. Die Haare haben einen anderen Schnitt, die Nase ist kleiner

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