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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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aus ließ sich das Geschehen in allen Kabinen überwachen?«
    »Nicht nur überwachen – auch aufzeichnen.«
    »Ich werd verrückt! Wenn das kein Motiv ist!«
    Jo kaute auf der Unterlippe. »Da stellt sich doch die
Frage: Ist Züngli nun Täter oder Opfer?«
    »Beides, würde ich sagen«, meinte Wolf. Dann forderte
er den Feuerwehrmann auf: »Zeigen Sie mal, was Sie mitgebracht haben.«
    »Gern.« Schönwald zog den Reißverschluss der
mitgebrachten Tasche auf und holte einen Laptop heraus, den er aufklappte und
anschaltete. Währenddessen setzte er seine Erläuterungen fort. »Ich fand
heraus, dass bei einem der Rechner, der offenbar als Server fungierte, die
Festplatte nicht vollständig zerstört war. Also hab ich sie ausgebaut …«
    »Sie scheinen ein Mann mit vielen Talenten zu sein«,
staunte Wolf.
    Schönwald ging nicht weiter darauf ein. »Diese
Festplatte habe ich anschließend in einen unserer Rechner eingesetzt und die
verbliebenen Dateien auf diesen Laptop überspielt. Und nun sehen Sie selbst …«
Er gab über die Tastatur ein Passwort ein, steuerte eine bestimmte Datei an und
drückte auf die Return-Taste. Dann lehnte er sich zurück.
    Gebannt starrten die Ermittler auf den Bildschirm. Die
ersten Sekunden waren enttäuschend: Heftiges Flackern zuckte über den Monitor,
immer wieder von farbigen Schleiern überlagert. Wolf fühlte sich an einen
Dokumentarfilm über waberndes Nordlicht erinnert. Doch plötzlich war das Zucken
wie weggewischt, und ein scharf gezeichnetes Bild erschien – ein Bild, das es
in sich hatte! Es zeigte einen nicht allzu großen, holzvertäfelten Raum, an der
Rückwand mit einem runden, von einer halb transparenten Gardine verhängten
Fenster. Offenbar handelte es sich um eine der Kabinen auf der »Crown of St.
Gallen«. Neben dem Fenster stand ein Beistelltischchen, darauf eine
Champagnerflasche und zwei halb volle Gläser sowie einige andere Utensilien.
Ansonsten bestand die Kabine im Wesentlichen aus einem französischen
Doppelbett, das mit einem seidig glänzenden hellblauen Laken bezogen war. Auf
dem Bett lag, lang ausgestreckt, ein nackter und sichtlich erregter älterer
Mann und ließ sich von einer Frau nach allen Regeln der Kunst verwöhnen. Die
Frau, nackt wie er, war blutjung, ein Kind fast noch, blond und zartgliedrig
und dennoch gut entwickelt.
    Plötzlich fiel die Szene in sich zusammen, wieder
waberten farbige Schleier über den Monitor. Schönwald brach die Vorführung ab.
»Mehr war leider nicht zu retten. Aber vielleicht fangen Sie ja trotzdem etwas
damit an.«
    »Verdammt scharf«, kommentierte Vögelein zweideutig.
    »Wie bringen die nur die Kinder dazu, so etwas zu tun?
Könnt ihr mir das mal sagen …?«, murmelte Marsberg.
    »Mit dem nötigen Kleingeld können Sie sich heute alles
kaufen«, sagte Manfred Schönwald. »Vergessen Sie nicht: Auch kleine Mädchen
haben Wünsche.«
    Wolf hob sein Barett leicht an und kratzte sich am
Hinterkopf. »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber können wir das Ganze noch
einmal sehen? Es kommt mir auf die Gesichter an«, erklärte er, und es klang wie
eine Entschuldigung.
    »Kein Problem.« Schönwald wiederholte die Prozedur.
    Wolf wurde immer nachdenklicher. Mit der rechten Hand
massierte er sein Kinn, dann suchte er Marsbergs Blick. »Du hast recht gehabt,
Rolf: Die Sexpartys haben tatsächlich auf dem Schiff stattgefunden. Hätte nicht
gedacht, dass sich deine Ahnung so schnell bestätigt. Hat jemand den Mann oder
das Mädchen erkannt?«
    »Der Mann könnte Weselowski sein«, meinte Jo, während
die anderen nur den Kopf schüttelten.
    »Ich meine auch«, stimmte Wolf ihr zu.
    »Bei dem Mädchen ist eine Identifizierung verdammt
schwer möglich«, sagte Marsberg, »ihr Gesicht ist so gut wie nie im Bild.
Trotzdem ist die Aufnahme Gold wert. Sobald sich jedem der beiden ein Name
zuordnen lässt, werden wir einen großen Schritt weiter sein.«
    »Zunächst einmal muss die Spurensicherung das Schiff
oder vielmehr dessen Reste gründlich unter die Lupe nehmen. Ich möchte gar zu
gerne wissen, ob Züngli als Einzeltäter gehandelt hat oder ob er Komplizen
hatte.«
    »Soll Züngli in die Pathologie, Chef?«, fragte Jo.
    »Ja, kümmere dich gleich darum. Ich will möglichst
gestern noch die Ergebnisse auf dem Tisch haben. Und du, Hanno, schließt dich
mit der Spurensicherung kurz. Ach ja, Herr Schönwald, eine Frage hätt ich doch
noch: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Züngli so spät an Deck

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