Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
Etablissements
aufkommen ließen.
    »Hier?«, entfuhr es Trost, als Pohl Anstalten machte,
auf den leidlich frequentierten Parkplatz vor dem Haus einzubiegen.
    »Das könnte dir so passen«, meinte Pohl grinsend.
»Nee, nee, mein Lieber, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das heißt, wenn
dir dann noch danach ist.« Seine Gesichtszüge waren wieder ernst geworden.
»Wollen mal hoffen, dass unser Mann überhaupt da ist.«
    »Jetzt aber Schluss mit der Geheimniskrämerei. Wen
hast du im Visier?«
    Pohl ließ sich mit der Antwort Zeit. Er fuhr an dem
Freudenhaus vorbei und hielt vor dem Gebäude dahinter, über dessen Eingang ein
verblasstes, unruhig flackerndes Leuchtschild »Gaststätte Delphi –Fremdenzimmer« verkündete. Bei kundigen Konstanzern genoss das Delphi den Ruf
einer reichlich zweifelhaften Spelunke, um die ehrliche Leute tunlichst einen
großen Bogen machten. Auf dem Parkplatz standen nur wenige Fahrzeuge durchweg
älterer Bauart. Das Lokal machte einen ziemlich düsteren Eindruck, vor allem jetzt,
in der einsetzenden Dämmerung, gegen die die spärliche Beleuchtung vergebens
ankämpfte. Menschen waren keine zu sehen. Der Kasten für die Speisekarte war
leer, der Fußabstreifer zerschlissen.
    »Wir gehen jetzt da rein und treffen, so Gott will,
meinen … nun, wie soll ich sagen … meinen Geschäftsfreund, sozusagen. Lass mich reden. Du beschränkst dich
am besten auf die Rolle des Zuhörers, sprich des Zeugen. Und lass dir nichts
anmerken, wenn dir das Milieu nicht ganz koscher erscheint. Alles klar?«
    Trost wollte zu einem geharnischten Protest ansetzen,
doch Pohl war bereits ausgestiegen und strebte dem Eingang des Lokals zu. So
blieb Trost nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
    »Der Herr Doktor! Was verschafft uns die Ehre Ihres
Besuches?«, empfing sie der Mann hinter dem Tresen barsch. Der unrasierte,
strubbelhaarige Mittfünfziger, eine halb gerauchte Zigarette zwischen den
Lippen, hatte nur kurz aufgeblickt und sich sogleich wieder dem Spülen seiner
Biergläser gewidmet. In dem schummrigen Gastraum waren um diese Zeit weniger
als eine Handvoll Tische besetzt, in einer Ecke dröhnte ein Fernseher, weiter
hinten spielten zwei Jugendliche Billard.
    »Wir wollen zu Kalaschnikow.« Unbestimmt wies Pohls
Daumen dabei in die Tiefen des Gastraumes.
    »Tut mir leid, ist nicht da.« Ohne den Blick von
seinen Gläsern zu wenden, zuckte der Wirt bedauernd mit den Schultern.
    »Komm mir nicht so! Ich weiß, dass er da ist. Draußen
steht seine Karre.« Pohl zeigte sich wenig beeindruckt. Trost am Ärmel hinter
sich herziehend, durchquerte er den Gastraum in Richtung Toiletten, zu denen
man durch eine rückwärtige Tür gelangte. Der Wirt kümmerte sich nicht weiter um
sie.
    »Sag mal«, raunte Trost, »heißt der Kerl tatsächlich
Kalaschnikow?«
    »Eigentlich heißt er Nikoff, ein Berliner russischer
Abstammung. Irgendwann hat jemand das ›Kalasch‹ davorgehängt. Die Kalaschnikow
war mal sein Lieblingswerkzeug, wenn du verstehst, was ich meine. Heute
betreibt er sein Gewerbe etwas weniger martialisch.«
    Die Toiletten lagen am Ende eines längeren, womöglich
noch spärlicher als das Lokal beleuchteten Ganges. Wenige Meter vor der Tür mit
der verblichenen Aufschrift »00« befand sich auf der gegenüberliegenden Seite
eine weitere Tür. Durch den Spalt am Boden drang schwacher Lichtschein. Nach
kurzem Klopfen schickte Pohl sich an, den Raum zu betreten.
    Er hatte den Griff kaum angefasst, da wurde die Tür
von innen aufgerissen, Musik und dichter Tabakqualm quollen heraus, eine starke
Lampe verbreitete grelles Licht und überstrahlte die massige Gestalt, die den
Türrahmen fast vollständig ausfüllte. Nur so war es zu erklären, dass Pohl die
Ausholbewegung des Mannes zu spät erkannte. Wie eine Ramme traf ihn dessen
rechte Faust an der Brust, sodass er ächzend nach hinten taumelte. Trost, vom
plötzlichen Rückwärtsgang Pohls überrascht, wollte instinktiv einen Schritt zur
Seite treten, was ihn zweifellos aus der Gefahrenzone gebracht hätte – hätte
der Anwalt nicht im selben Moment wild mit den Armen gerudert und im Fallen
Trost mit sich zu Boden gerissen.
    Blitzschnell bückte sich der Angreifer, fasste Pohl am
Kragen und stellte ihn wieder auf die Beine. Er holte eben zu einem Schwinger
aus, als von innen ein scharfes »Genug!« ertönte. Mit sanfter Gewalt schob
jemand den Schläger zur Seite, ein feistes Mondgesicht rückte in Pohls
Blickfeld.
    »Pfeifen Sie um Himmels willen

Weitere Kostenlose Bücher