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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Ihren Gorilla zurück,
Kalaschnikow«, stöhnte Pohl.
    Der Gesichtsausdruck des Angesprochenen war besorgt,
fast zerknirscht. Kalaschnikow streifte seinen »Gorilla« mit einem
vernichtenden Seitenblick, ehe er sorgsam Pohls Krawatte zurechtrückte und ihm
das leicht ramponierte Jackett glatt strich.
    »Sie müssen Piet entschuldijen, Herr Doktor. Hätt ick
nur jeahnt, det Sie dit sind! Aber Sie kennen ja die jungen Leute heutzutage:
Nischt im Kopp, Hauptsache, Muckis.«
    Inzwischen hatte sich auch Trost aufgerappelt.
Kalaschnikow, rein äußerlich ein nahezu perfekter Gert-Fröbe-Doppelgänger, bat
die beiden Besucher herein und bot Ihnen einen Stuhl an. Mit einer Handbewegung
bedeutete er Piet, sich zu verdünnisieren.
    »Was verschafft mir die Ehre, Herr Doktor?«
    Pohl suchte nach einer passenden Einleitung,
offensichtlich war ihm der Gewaltausbruch auf den Magen geschlagen. »Nun, die
Sache ist etwas delikat …«
    »Waren Sie etwa mit unserer Arbeit nicht zufrieden?«,
versuchte Kalaschnikow ihm auf die Sprünge zu helfen.
    »Nein, nein, das ist es nicht. Sie haben Ihren Job gut
gemacht. Allerdings …«
    »Allerdings?«
    Pohl kam zu dem Schluss, dass Angriff in diesem Falle
die beste Verteidigung war. »Die Sache ist die: Wir haben Anlass, zu glauben,
dass Ihre Leute vor der Brandlegung das Schiff durchsucht haben. Genauer
gesagt: Es müssen … also es müssen Videos an Bord gewesen sein, mit denen man
jetzt meine Freunde und mich zu erpressen versucht.«
    Kalaschnikow sprang auf und nahm eine drohende Haltung
an. »Wolln Se mir beleidijen, Herr Doktor? Wat für Videos? Da waren keene
Videos, und mitjehn lassen ham wa schon jar nischt, wa? Wir sind ehrliche
Dienstleister, so viel ist ma sicher.«
    Ungerührt fuhr Pohl fort: »Ehrlich gesagt hätten wir
sogar ein gewisses Verständnis, wenn’s so gewesen wäre. Mehr noch, es wäre uns …«, an dieser Stelle tauschte er einen kurzen Blick mit Trost, »… also, es
wäre uns sogar eine … nun, sagen wir: eine Sonderprämie wert, wenn wir die
Videos oder um was immer es sich handeln mag, vollständig ausgehändigt
bekämen.«
    »Sie enttäuschen mir, Herr Doktor!« Kalaschnikow
machte den Eindruck, als wolle er gleich in Tränen ausbrechen. »Nu machen wa
schon so lange Jeschäfte mitnander, und noch nie hatten Se auch nur den
jeringsten Anlass zur Unzufriedenheit. Nee, nee, da irren Se sich aber jewaltig
in uns, glauben Se mir! Ick mach Ihnen ‘nen Vorschlag: Wir machen uns uff die
Socken und suchen dit Zeug für Sie – sagen wa: zum halben Tarif.
Einverstanden?«
    Pohl sah Kalaschnikow in die Augen. Er glaubte ihm.
Gauner wie er hatten ihren eigenen Ehrenkodex. Kalaschnikow war, so merkwürdig
sich das bei einem Kriminellen auch anhören mochte, nicht der Typ, der auf zwei
Schultern Wasser trug.
    Er nickte. »Wir werden es uns überlegen. Ich melde
mich!«
    Ohne ein weiteres Wort standen sie auf und verließen
die Kaschemme. Beim Hinausgehen bemerkte Pohl, dass die kleine Gästeschar
Zuwachs bekommen hatte: An einem kleinen Tisch nahe dem Gang zu den Toiletten
saß, mit dem Rücken zu ihnen, eine Frau.
    Pohl fragte sich zum wiederholten Mal, wie jemand
freiwillig dieses Lokal aufsuchen konnte, noch dazu eine Frau! Erleichtert,
dass sie ihren Besuch bereits hinter sich hatten, trat er ins Freie.
    ***
    Wolf
blickte in die Runde. Er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass auch diese
Konferenz keinen Durchbruch bringen würde. Zu wenig hatten sie in der Hand, zu
verworren waren die Fakten. Es war ein bisschen so, als würden die Täter mit
ihnen spielen, als würden sie aus sicherer Distanz jeden ihrer Schritte
kontrollieren – wahrscheinlich klopften sie sich in diesem Augenblick vor
Lachen auf die Schenkel. Wolf musste sich gewaltig am Riemen reißen, wollte er
seine Kollegen nicht noch mehr entmutigen.
    Ihm gegenüber saßen Marsberg und Vögelein. Die
allgemeine Ratlosigkeit schien inzwischen auch Jo erfasst zu haben: Mit
unbeteiligtem Gesicht stellte sie eine Kanne Kaffee nebst dazugehörenden
Utensilien und zwei Flaschen Mineralwasser auf den Tisch, ehe sie neben Wolf
Platz nahm. Angewidert schob Vögelein die Kanne aus seinem Blickfeld und
angelte sich stattdessen ein Mineralwasser. Mit der »schwarzen Droge« hatte er
offenbar nichts am Hut.
    »Also, Leute, was haben wir?«, fragte Wolf, nachdem er
einen Pott mit Kaffee gefüllt und einen kurzen Blick auf seine halb fertige
Faktenliste geworfen hatte. Marsberg hob die Hand.
    »Ich muss etwas

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