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Seejungfrauen kuesst man nicht

Seejungfrauen kuesst man nicht

Titel: Seejungfrauen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein Silo. »Ich kann sowieso nicht schwimmen.«
    »Das macht nichts. Man wird nicht jeden Tag in den Fluss geworfen.« Er füllte mein Glas wieder auf, das anscheinend schon wieder leer war. Ich beschloss, dass er mir ziemlich gut gefiel.
    »Ich meinte, welches Fach studierst du?«
    »Oh, nach dem allmorgendlichen Katzenjammer mach ich ein bisschen Geschichte. Sie drohen ständig damit, mich rauszuwerfen, aber nächstes Jahr steck ich den Kopf in die Bücher.«
    Er lachte. »Und du? Du ruderst nicht. Du spielst bestimmt auch nicht Kricket. Was machst du den ganzen Tag?«
    »Ich habe gerade die Schule fertig. Ich warte auf das Ergebnis - ich gehe im September aufs Royal College of Music.« Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich anfing, mich als Cellistin oder Musikerin zu definieren.
    »Ich hab keinen blassen Dunst von Musik«, sagte Frank fröhlich, und dann aus dem Mundwinkel: »Ist das dein Freund da drüben, der zu uns rüberstarrt?« Ich wandte mich um und sah Rad, der sich an die Mauer lehnte und mit saurem Gesichtsausdruck über Frances‘ Schulter zu uns blickte. Bevor ich winken konnte, war er weggegangen. »Nein«, sagte ich. »Er ist der Bruder meiner Freundin. Eigentlich glaube ich, dass er hinter Anne her ist.«
    »Wirklich? Er wäre gut beraten, einen großen Bogen um sie zu machen. Ihr letzter Freund ist völlig verrückt geworden.«
    Das Knacken eines Lautsprechers und das plötzliche Dröhnen von Musik aus dem Festzelt verriet uns, dass die Disco begonnen hatte.
    »Möchtest du tanzen?«, fragte Frank. »Oder nicht?« Er drehte die Flasche um, und das letzte Rinnsal aus Champagner schäumte in meinem Glas.
    »Wieso nicht?«, sagte ich und fühlte mich plötzlich glücklich. Ich war achtzehn, barfuß, leicht betrunken und völlig sorglos.
    Wir ließen uns mit der allgemeinen Strömung zum Zelt treiben und spähten hinein. Ich war jetzt ohne meine Schuhe fast so unsicher wie vorher mit ihnen. Stühle und Tische waren zur Seite geräumt worden, und ein paar Leute hüpften bereits auf der Tanzfläche herum. In den Ecken pulsierten jede Menge blinkender Lichter und warfen verzerrte Schatten auf die Zeltwände. Als meine Augen sich an das Flimmern gewöhnten, entdeckte ich Nicky, dessen Arme und Beine sich rhythmisch bewegten, wenn auch leider nicht in dem Rhythmus, den die Musik vorgab.
    »Ich tanze ganz gern«, sagte Frank mir ins Ohr. »Aber ich habe immer das Gefühl, wenn ein Haufen Marsianer hier landen würde und diese seltsame und völlig sinnlose Aktivität sehen würde, würden sie uns für eine ziemlich primitive Spezies halten.«
    »Ungefähr dasselbe denke ich über Kricket«, sagte ich.
    Er sah ehrlich schockiert aus. »Und ich habe gerade gedacht, was für ein nettes Mädchen du bist.«
    Annes Bruder Neil kam aufgeregt zu uns. »Wo ist Matt?«, wollte er wissen.
    »Weiß nicht. Warum?«, sagte Frank.
    »Ich möchte, dass er am hinteren Tor Schmiere steht. Ich hab grad Annes Ex rausgeschmissen, und wenn der Wichser noch mal versucht reinzukommen, knall ich ihm eine.« Er marschierte mit geballten Fäusten davon. Frank seufzte.
    »Der verrückte Freund, von dem ich dir erzählt habe. Ich glaube, ich versuche lieber, Blutvergießen zu verhindern«, sagte er. »Hat mich gefreut, mit dir zu reden.« Er gab mir einen Kuss auf die Wange und lief hinter Neil her. »Geh nicht mit meiner Jacke nach Hause«, rief er über seine Schulter. »Sie ist nur ausgeliehen.«
    Nicky fing meinen Blick auf und kam herübergetanzt. »Come on Eileen«, hämmerte die Musik. »Come on, Abigail«, sagte Nicky, schnappte sich meine Hand und zog mich auf die Tanzfläche.
    »Wo ist Frances?«, brüllte ich ihm ins Ohr. Er zuckte unbekümmert mit den Schultern, die Handflächen nach oben. Oh ha, dachte ich. Ein Krach. Meine nackten Zehen kamen mir so nahe bei den Quadratlatschen der Tänzer ziemlich ungeschützt vor, aber mir fiel nicht mehr ein, wo ich meine Schuhe gelassen hatte. Nickys unberechenbare Bewegungen erwiesen sich auf jeden Fall als wirkungsvoll, wenn es darum ging, Platz zu schaffen: Jeder, der sich zu nah heranwagte, lief Gefahr, aus Versehen eine verpasst zu bekommen.
    Dexy‘s Midnight Runners waren von Madonna abgelöst worden. »Like a vir-ir-gin«, sang Nicky mir mit einem Grinsen zu, das mich rasend machte. Ich kehrte ihm den Rücken, und er tätschelte herablassend meinen Kopf. »Nur ein Scherz«, schmeichelte er mir, stieß mich dann in die Rippen und zeigte durch die Menschenmenge zu einem Tisch,

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