Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
Wirklichkeit zurückholt. Sie ist zwar tatsächlich die Tochter des Verlegers, hat aber, so stellt sich zu Rudolfs Bedauern heraus, mit Kunst eher weniger im Sinn. »Dia Sacha von meim Baba han i alle glei ins Altpapier gschmissa«, gibt sie sofort zu. »Do war ziemlich viel Glump dabei, des kennet Sia mir ruhig glauba.«
»Glump ist Mist«, übersetze ich, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Rudolf hat es auch so kapiert. Vermutlich würde er den Laden am liebsten sofort verlassen – ich sehe, wie seine Kiefermuskeln zucken –, aber weil Moni dasteht und ihn mit ihren blauen Kulleraugen bewundernd anstarrt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als gefasst von seinen hoffnungsvollen Träumen Abschied zu nehmen.
Mein verhinderter Lyriker (auf der Fahrt hierher hat er noch laut darüber nachgedacht, ein signiertes Exemplar des noch zu druckenden Gedichtbands an Marcel Reich-Ranicki zu schicken) zeigt sich auf einmal erstaunlich hart im Nehmen; er lächelt sogar, wenn auch sehr gequält, und als Moni wissen will, was denn Sache sei, versteigt er sich schließlich zu der Behauptung: »Ein Bekannter hat vor Jahren ein paar Gedichte an Herrn Eigeltinger geschickt und mich jetzt gebeten, doch mal unverbindlich nachzufragen. War vermutlich nichts weiter Wichtiges, ich wollte nur mal nachfragen.«
»Dann isch ja guat, dann isch des Thema jo durch«, meint Moni lachend und zwinkert mir zu. Sie hängt sich bei meinem Herzallerliebsten ein und flötet: »Rudolf, du siasch so verhungert aus. I kenn do a netts Restaurant, die machet an Zwiebelroschtbrota, des isch a halbe Hochzeitsnacht. I denk, des dät au der Doro schmecka.«
Ich schlucke. »Schade«, sage ich (das ist, was den Braten angeht, nicht einmal gelogen), »aber wir müssen in einer halben Stunde daheim sein. Du weißt doch, mein Vater ... Außerdem habe ich Wolfgang angerufen, weil ich einiges mit ihm besprechen muss, bevor wir wieder fahren. Wir wollen nämlich heute wieder zurück nach Berlin«, füge ich schnell hinzu, bevor Rudolf den Mund aufmachen kann.
»Des isch aber wirklich schad«, schmollt Moni. »Kenntet ihr eich des it no amole überlega?«
Rudolf, der sich von seinem Tiefschlag erstaunlich schnell erholt hat, schlägt vor, man könnte doch Wolfgang anrufen, dass wir etwas später kommen würden.
»Wolfgang muss aber um vier schon wieder in der Praxis sein«, behaupte ich.
Moni nickt bekümmert. »Zahnärzte hend’s wirklich schwer. Sag dem Wolfgang a liabs Grüßle von mir und i komm nächscht Woch amol vorbei. I han do nämlich irgendwas am Backezah.«
8. Kapitel
In unserer Straße ist die eine Seite komplett zugeparkt und auf der anderen herrscht absolutes Halteverbot. Was an sich kein Problem ist, wenn nicht auch noch unsere Garageneinfahrt belegt wäre.
»Kenn ich nicht«, sage ich, nachdem ich das Nummernschild des älteren Opels eingehend gemustert habe. »Ich frage gleich in der Nachbarschaft nach, wem der gehört.«
»Da hilft nur abschleppen«, stellt Rudolf lapidar fest und wendet.
»Abschleppen? Spinnst du? Wir sind schließlich nicht in Berlin! Was meinst du, was los wäre, wenn hier plötzlich ein Abschleppunternehmen auftauchen würde?«
»Bitte! War ja nur ein Vorschlag«, meint mein Herzallerliebster beleidigt.
Ich merke genau, er würde das Thema gern noch vertiefen (schließlich lässt er jeden Monat mindestens drei Autos abschleppen, die unberechtigterweise vor seiner Galerie parken), aber ich schweige beharrlich. Außerdem finden wir eine Straße weiter einen komfortablen Platz, sogar im Schatten, und Rudolf, der den Tiefschlag mit Lolita Eigeltinger inzwischen weggesteckt hat, stellt begeistert fest, dass das Leben in Aulendorf doch um einiges angenehmer sei als in Berlin. So schnell habe er dort noch nie einen Parkplatz gefunden.
»Und deshalb willst du also noch ein paar Tage länger bleiben«, schlussfolgere ich messerscharf. »Wegen der Parkplätze. Interessant!«
»Du weißt genau, wie ich es meine. Dir würde es bestimmt auch guttun, aber das hab ich ja bereits gesagt.«
Als ich die Haustür aufschließe, herrscht mal wieder dicke Luft zwischen uns. Denn Rudolf will keinesfalls schon an diesem Abend zurückfahren, er erhole sich gerade ein wenig und sei nicht bereit, dieses bisschen an Erholung zu opfern, nur weil ich mal wieder unbedingt meinen Kopf durchsetzen müsse.
Am liebsten würde ich erwidern:
Dann bleib du doch hier, wenn es dir so gut gefällt!
, aber weil er das womöglich tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher