Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
zu wissen als der Gegner ist immer gut und eine alte chinesische Weisheit, wenn ich mich richtig erinnere. Außerdem will ich erst mit Yasemin konferieren, bevor ich weitreichende Entscheidungen treffe.
Sie
ist nämlich die Expertin für gescheiterte Beziehungen.
Rudolf küsst mich so beiläufig, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als ihm um den Hals zu fallen und ihn eine Weile nicht mehr loszulassen. Ich schnüffle intensiv an seinem Hemdkragen, aber alles, was ich rieche, ist ein Hauch von Autowerkstatt. Eher unwahrscheinlich, dass es sich dabei um Monis Parfüm handelt.
»Ich hab dir was mitgebracht«, verkündet er. »Wenn du mich mal für einen Moment aus deinem Würgegriff lassen könntest.«
Ich sehe ihn fragend an, als er mir eine Plastiktüte entgegenhält. »Mit ganz lieben Grüßen von Moni. Ein Hefezopf für dich, frisch aus dem Ofen. Ist das nicht reizend von ihr?«
»Ich bin überwältigt«, murmle ich. »Mir fehlen die Worte.«
Was leider den Tatsachen entspricht. Erstens deshalb, weil das Miststück in der Lage ist (im Gegensatz zu anderen Personen, die bereits am Erwärmen der Milch scheitern) einen Hefezopf zu backen, der augenscheinlich auch ganz passabel aussieht und noch besser riecht. Und zweitens, als Rudolf beteuert, er habe Moni rein zufällig getroffen. Er habe ja keine Ahnung gehabt, dass sie stundenweise in einer Autowerkstatt arbeite. »Wie der Zufall eben so spielt«, fügt er hinzu.
Ich verkneife mir jeglichen Kommentar.
»Wie dem auch sei, jedenfalls war es äußerst sinnvoll, dass ich vorhin bei Gerhard war.«
»Gerhard?«
»Gerhard Huber, Kfz-Meister aller Klassen, du weißt doch, der ...«
»Das heißt, wir können morgen fahren?«, unterbreche ich ihn kurz angebunden.
»Wie kommst du denn darauf? Nein, auf keinen Fall, ich bin doch nicht lebensmüde! Erst einmal müssen etliche Ersatzteile bestellt werden. Das geht alles nicht so schnell, wie du dir das vorstellst, Doreen. Ich habe das Auto zwar wieder mitgebracht, es steht jetzt auch in der Garage, aber Gerhard warnt vor längeren Strecken. Zum Einkaufen können wir damit fahren, das ist kein Problem, aber nach Berlin? Nee, meine Liebe, kannste vergessen.«
»Und was war dann bitte so sinnvoll an deinem Besuch bei Gerhard?« Ich merke selbst, meine Stimme klingt schrill, aber das ist jetzt auch egal.
Rudolf lächelt gönnerhaft. »Dass du auch immer jedes Wort auf die Goldwaage legen musst. Natürlich war es sinnvoll, denn der Zopf war gerade fertig. Moni meint übrigens, frisch würde er am besten schmecken. Was meinst du? Wollen wir ihn anschneiden?«
»Iss! Von mir aus den ganzen Zopf«, sage ich selbstlos. »Mir ist schon schlecht.«
Ich kann nicht einschlafen, weil ich so viele Probleme zu wälzen habe, dass ich sie besser durchnummerieren sollte, um nicht den Überblick zu verlieren. Rudolf ist ebenfalls noch wach, aber das liegt bedauerlicherweise nicht daran, dass auch er echte Probleme hat. Rudolf doch nicht! Er hat sich lediglich an Monis frischem Hefezopf überfressen, und jetzt ist ihm so was von übel. Was ihm von ganzem Herzen gegönnt sei.
»Könnte das womöglich die Galle sein?«, stöhnt der kleine Hypochonder neben mir. Ich knipse die Nachttischlampe an, drücke ein bisschen auf Rudolfs Eingeweiden herum, was er sofort mit lautem Aufstöhnen quittiert.
»Sag mir die Wahrheit! ... Die Galle?«
Ich sehe ihn ernst an. »Wird schon wieder. Man darf die Hoffnung nie aufgeben.«
»Dann ist es jetzt also so weit.« Rudolf richtet sich ächzend auf, fährt sich mit der Zunge über seine aufgesprungenen Lippen. »Ich kann nur hoffen, dass es hier auf dem Land gut ausgebildete Ärzte gibt. Falls etwas schiefgeht, mein Testament ist im Hängeschrank in der Küche links hinten ... und ... Vielleicht solltest du gleich den Krankenwagen rufen. Ich glaube, der Schmerz kommt doch eher vom Herzen.« Schwer atmend lässt er sich zurück aufs Kissen fallen. Mit ersterbender Stimme fügt er hinzu: »Außerdem hab ich so ein merkwürdiges Kratzen im Hals.«
Irgendwann kann ich sein Jammern nicht mehr hören. Und so schleiche ich schließlich durchs Haus, auf der Suche nach einem Medikament, mit dem ich Rudolf ruhigstellen kann, zumindest für die nächsten Stunden. Aber erst einmal muss ich mich um Jeanny kümmern, die von einem ausgiebigen Spaziergang durchs nächtliche Aulendorf zurück ist und nun lautstark vor der Terrassentür miaut und Futter und die ihr zustehenden Streicheleinheiten einfordert.
Eine
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