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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Hafergrütze gegenüber vom Küchenfenster gesessen hatte, in seiner Unwissenheit aufgelacht hatte. Der Sturz hatte sich nach Aussage des Pärchens in keiner Weise vorher angekündigt.
    Die Leute aus dem ersten Stock hatten tief und fest geschlafen und überhaupt nichts gemerkt. Doch als Óðinn die Zeugenaussage der Nachbarn, die direkt unter Lára gewohnt hatten, las, wurde die Sache komplizierter. Ihre Aussagen widersprachen dem, was das junge Paar gesagt hatte. Es handelte sich um zwei Schwestern, die zum Studium aus Ostisland nach Reykjavík gezogen waren. Sie hatten die Wohnung seit einem halben Jahr gemietet, aber sie stand zum Verkauf. Angeblich hatten sie kurz vor Láras Schrei Geräusche aus ihrer Wohnung gehört. Krach und Stimmen, die aber auch aus dem Radio kommen konnten. Sie waren nicht in der Lage, die Stimmen genauer zu beschreiben, ob es sich um einen Mann oder eine Frau und um einen Streit gehandelt hatte. Am Ende zogen sie beide ihre Aussage zurück, weil sie sich nicht mehr sicher waren, ob sie sich richtig erinnerten. Möglicherweise seien die Geräusche auch von der Straße gekommen. Die eine meinte gehört zu haben, wie die Tür zu Láras Wohnung geöffnet worden sei, war sich diesbezüglich aber auch nicht hundertprozentig sicher. Sie hatte natürlich nicht besonders auf die Geräusche geachtet und konnte nicht ahnen, dass dieser Morgen anders verlaufen würde als sonst. Ihre Zweifel rührten daher, dass sie keine Türklingel gehört hatte. Dessen war sie sich sicher, denn das Klingeln ging ihr immer unglaublich auf die Nerven, und sie war sowieso schon schlecht gelaunt, weil sie so früh aufstehen und lernen musste. Das Klingeln hätte sie also bestimmt nicht überhört. Die Schwestern hatten nicht gehört, ob jemand die Wohnung verlassen hatte oder nach Láras Sturz die Treppe hinuntergelaufen war. Wobei sie das auch nicht richtig beurteilen konnten, da sie in den Teil ihrer Wohnung gelaufen waren, der am weitesten von der Tür entfernt lag, um nachzusehen, was passiert war.
    Óðinn legte den Bericht weg und strich sich mit den Fingern durchs Haar. Niemand hatte ihm gegenüber auch nur mit einem Wort erwähnt, dass es sich nicht um einen Unfall handeln könnte. Dass Lára womöglich nicht alleine gewesen war, hatten entweder nur die Polizisten und die beiden Schwestern gewusst, oder es hatte ihm niemand sagen wollen. Die Presse hatte jedenfalls dichtgehalten. Und Láras Mutter auch. Wut kochte in ihm hoch. Was war los mit dieser Frau? War ihr nicht klar, dass das für ihn wichtig war?
    Natürlich hatte er die Unterlagen die ganze Zeit gehabt und hätte es leicht selbst herausfinden können. Vielleicht hatte sie nur darauf gewartet, dass er es zuerst ansprach, oder ihm einfach angesehen, dass er genug mit sich und Rún zu tun hatte. Bei dem Gedanken beruhigte er sich ein wenig. Natürlich musste noch mehr ans Licht gekommen sein, denn die Polizei hatte den Fall nicht als Mord untersucht, und es hatte auch nicht den üblichen Presserummel gegeben.
    Aus dem Flur zu den Schlafzimmern drang leises Murmeln, und Óðinn versteckte den Hemdenkarton sofort unter einem Kissen. Er spitzte die Ohren, verharrte, bis er sich davon überzeugt hatte, dass Rún nicht aufgewacht war, und nahm das Kissen wieder weg. Zum Glück hatte Rún einen tiefen Schlaf, was sie zweifellos davor bewahrt hatte, damals einen noch größeren Schock zu erleiden. Natürlich war es weniger schlimm, mitgeteilt zu bekommen, dass die Mutter bei einem Unfall gestorben war, als diesen selbst mit ansehen zu müssen. Dann hätte Rún bestimmt sehen wollen, was mit ihrer Mutter geschehen war, sich vielleicht zu weit aus dem Fenster gelehnt, und wer weiß, was dann noch passiert wäre.
    Óðinn beneidete Rúns Großmutter nicht darum, dass sie ihrer Enkeltochter die Nachricht hatte überbringen müssen. Die junge Frau aus dem Erdgeschoss hatte sie rasch geholt, denn Láras Wohnung war abgeschlossen, und sie wollte das Kind nicht mit Rufen wecken. Das sollte besser ein Angehöriger machen. Da Láras Mutter fast direkt nebenan wohnte, war sie noch vor dem Krankenwagen da. Óðinn lief ein Schauer über den Rücken bei der Vorstellung. Ob sie die Leiche ihrer Tochter auf dem Weg zur Haustür aus dem Augenwinkel gesehen hatte, aber weitergelaufen war, aus Angst, dass ihrem Enkelkind auch noch etwas zustoßen könnte? Er versuchte sich vorzustellen, wie er reagieren würde, wenn früh an einem Sonntagmorgen jemand bei ihm anklopfen und ihm

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