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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Wohnungstür geklingelt, als sie wieder raufgekommen war. Die Polizei nahm an, dass sie sofort zum Fenster gegangen war, um zu rauchen, mit den bekannten tragischen Folgen. Dann wurde noch kurz auf die minimalen Abweichungen zwischen den Zeitangaben der Schwester und dem mutmaßlichen Hergang nach Einschätzung der Polizei eingegangen. Die Frau meinte, den Schrei sehr kurz nach dem Schließgeräusch der Wohnungstür gehört zu haben, was dem widersprach, dass Lára sich erst ins Fenster gesetzt, eine Zigarette angezündet, den Blumentopf fallen lassen und einen Besen geholt hatte, wieder ins Fenster geklettert war und versucht hatte, ihn zurückzuangeln, bevor sie gestürzt war. Als die Polizei die Schwester noch einmal befragte, ruderte diese zurück und sagte, sie könne nicht genau sagen, wie viel Zeit zwischen dem Schließen der Tür und dem Schrei vergangen sei. In der Küche gab es keine Hinweise auf eine weitere Person, das Radio lief, und die Stimmen, die die Schwestern gehört hatten, kamen wahrscheinlich von dort. Auf dem Boden lag eine zerbrochene Schale, doch die Scherben waren schon zu einem Haufen zusammengefegt worden. Auf dem Besen fanden sich keine fremden Fingerabdrücke, und man nahm an, dass Lára die Schale fallen lassen hatte, möglicherweise zusammen mit dem Blumentopf, und die Scherben grob zusammengefegt hatte, bevor sie sich dem Topf zugewandt hatte. Unter der Leiche fand man eine halbgerauchte Zigarette. Alles wies auf einen Unfall hin. Óðinn wusste nicht genau, ob er erleichtert sein sollte. Was war besser, ein Unfall oder Mord? Ging es einem besser, wenn einer nahestehenden Person ein Unglück widerfahren oder wenn sie umgebracht worden war? Er wusste keine Antwort darauf. Jedenfalls war Óðinn am Ende auf nichts Mysteriöses gestoßen.
    Weiter hinten in dem Bericht stand jedoch noch etwas Unumstößliches: Lára hatte kurz vor ihrem Tod die Beziehung zu einem Mann beendet, mit dem sie zwei Jahre zusammen gewesen war und mit dem sie sogar ein paar Monate zusammengewohnt hatte. Laut Polizeibericht war diese Trennung nicht besonders freundschaftlich verlaufen. Óðinn war völlig verblüfft. Das war komplett an ihm vorbeigegangen. Lára hatte also über einen längeren Zeitraum eine ernsthafte Beziehung gehabt, ohne ihm oder Rún gegenüber auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Sie musste sich zwar nicht wegen ihres Privatlebens rechtfertigen, aber Rún hatte doch ein Recht darauf, über so grundlegende Veränderungen informiert zu werden. Warum hatte Lára ihr nichts gesagt? Rún musste doch begriffen haben, dass der Mann, den seine Mutter traf, ihr Freund war, dafür war sie alt genug. Selbst wenn sie das am Anfang vor ihrer Tochter geheim gehalten hatte, war doch völlig klar, dass Rún eins und eins zusammengezählt hatte, als der Kerl mit seinen Habseligkeiten bei ihnen eingezogen war. Sie hatte den Mann im Bett ihrer Mutter wohl kaum für einen Untermieter gehalten.
    Am liebsten wäre er in Rúns Zimmer gestürzt und hätte sie zur Rede gestellt, beherrschte sich aber. Dann würde sie sich nur noch tiefer in ihre Schale zurückziehen. Als er weiter darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass Lára vor längerer Zeit einen neuen Freund erwähnt hatte, er aber nicht nachgefragt hatte. Die Vorstellung von ihr mit einem anderen Mann war ihm unangenehm, genauso wie das ganze Thema. Da sie nichts mehr davon erzählt hatte, war er davon ausgegangen, die Beziehung sei wieder zu Ende, das kam ja öfter vor, wie er selbst nur zu gut wusste. Vielleicht hatte er diesen Typen sogar mal gesehen, als er Rún abgeholt hatte. Er hatte Láras Wohnung nur höchst selten betreten und meistens draußen auf dem Bürgersteig gewartet, aber es konnte durchaus sein, dass der Kerl mal in der Nähe herumgestanden hatte. Sein Name, Logi Árnason, sagte ihm nichts.
    Óðinn schaute auf die Uhr, es war noch weit vor Mitternacht. Er nahm das Telefon und wählte Kallis Nummer. Der hatte nach der Trennung Kontakt zu Lára gehalten, nicht weil er so fürsorglich gewesen wäre, sondern weil seine Frau Helena Láras Cousine war. Ihre Scheidung hatte ihren alten Freundeskreis auseinandergerissen. Die Männer, die verheiratet waren oder eine Freundin hatten, waren Lára treu geblieben, während die wenigen Junggesellen ihm die Stange gehalten hatten. Nach Láras Tod hatten sich ein paar Leute, die schon fast aus seinem Leben verschwunden waren, wieder bei ihm gemeldet, waren aber alle ziemlich verunsichert. Trotzdem war

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