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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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sich ein wenig.
    »Noch eine Bitte, bevor Sie gehen. Grüßen Sie ihn von mir. Bitte sagen Sie ihm, dass ich ständig an ihn denke.« Die Frau verstummte und fügte dann hastig hinzu: »Und dass er daran denken soll, dass das die richtige Entscheidung war. Alles andere wäre viel schlimmer gewesen. Das ist sehr wichtig.«
    Aldís wusste nicht, ob sie Einar etwas davon ausrichten würde, sagte aber trotzdem ja, um das Gespräch schnell zu beenden. Fast hatte sie ein schlechtes Gewissen, seiner Mutter gegenüber nicht ehrlich gewesen zu sein, und platzte als Wiedergutmachung heraus, sie putze meistens dienstags und donnerstags zur gleichen Zeit das Büro, falls sie noch einmal anrufen wolle. Dann legte sie auf und verfluchte sich selbst, sich eingemischt zu haben. Sie hatte schon genug Probleme und wollte nicht auch noch die Vermittlerin zwischen diesem komischen Jungen und seiner Mutter sein. Andererseits reizte sie das geheime Spiel aber auch, als wäre sie wieder Teil einer liebevollen Familie. Vielleicht konnte sie dabei ja etwas lernen, falls sie später selbst einmal Kinder hätte.

    »Soll ich so lange rausgehen?«, fragte Einar. Er stand verlegen in der Tür seines Zimmers, das er sich mit einem anderen Jungen teilte. Er hatte Aldís mit abweisendem Gesicht die Tür aufgemacht, war aber freundlicher geworden, als er gesehen hatte, wer davor stand. »Die anderen sind noch draußen. Sie haben eine Extrastunde, aber ich habe Glück gehabt.«
    Der Schulunterricht im Heim, für den Lilja zuständig war, wurde eher der Form halber abgehalten.
    »Du musst nicht gehen. Ich fege nur kurz.«
    Aldís hatte gewusst, dass er in seinem Zimmer sein würde. Lilja hatte darüber geklagt, dass sie nach dem Kaffee noch eine Extrastunde geben müsste, an der Einar und noch ein anderer Junge nicht teilzunehmen brauchten. Aldís hatte Veigar beiläufig mitgeteilt, sie müsse bei den Jungen noch kurz fegen, aber er war so in die Rechnungen vertieft gewesen, die mit dem Milchauto gekommen waren, dass er ihr keine anderen Anweisungen gegeben hatte. Deshalb hatte er auch nicht gemerkt, dass sie sich zurechtgemacht hatte, ihre Haare offen trug und schickere Klamotten anhatte.
    Einar machte die Tür weit auf und ließ sie herein. Dabei blieb er wie angewurzelt stehen, so dass sie sich kurz berührten, als sie an ihm vorbeischlüpfte. Aldís hoffte, dass er nicht sah, wie sie errötete.
    »Es dauert nicht lange«, sagte sie.
    Wenn sie ganz ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie sich von ihm angezogen fühlte und nichts dagegen machen konnte. Sie hätte nicht herkommen sollen. Es wäre am vernünftigsten, dem Jungen aus dem Weg zu gehen. Der Grund für seine Anziehungskraft war einfach der, dass er sich von den anderen männlichen Wesen auf dem Hof abhob und im Vergleich mit ihnen besser abschnitt. Er wirkte irgendwie erwachsen, aber nicht alt und verlebt wie die Arbeiter. Ein Musterschüler in einer Förderschule. Aber nun war es zu spät, um vernünftig zu sein, sie stand mitten in seinem Zimmer, und wenn sie ihm die Nachricht übermitteln wollte, war das wahrscheinlich die einzige Gelegenheit. Aldís war sich nicht sicher, ob sie ihn so bald noch mal unter vier Augen antreffen würde.
    »Ist das nicht ein langweiliger Job?«, fragte Einar und fläzte sich auf das untere Etagenbett, das seinem Zimmernachbarn gehörte.
    Aldís zuckte mit den Achseln und wurde noch röter. Was war nur mit ihr los? Sie war viel älter als er, und die Situation hätte umgekehrt sein müssen: Er hätte in ihrer Nähe nervös werden sollen. Warum sollte sie sich für ihre Arbeit schämen, wenn ihre Lage deutlich besser war als seine.
    »Könnte schon spannender sein. Sobald ich genug Geld gespart habe, höre ich auf.«
    »Was willst du denn machen?« Er stützte sein Kinn auf die Hand und fixierte sie. Sein Blick war herausfordernd, und es war schwer zu sagen, was sich hinter seinen dunklen Augen verbarg.
    »Ich suche mir einen Job in einer Boutique. Oder ich werde Stewardess«, sagte sie. Es war unmöglich, noch röter zu werden, so dass ihre Gesichtsfarbe trotz dieser überraschenden Antwort so blieb, wie sie war. Aldís hatte das noch nie jemandem erzählt, aber wenn sie zurückdachte, fiel ihr auf, dass sie auch noch nie jemand nach ihrer Zukunft gefragt hatte.
    »Kannst du Englisch?«, fragte er.
    Aldís war erleichtert, dass er sich nicht über ihre Träume lustig machte, ihr nicht zu verstehen gab, dass sie niemals Stewardess werden oder einen Job in

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