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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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paar Habseligkeiten des Zimmerbewohners hatte. An der Schranktür hing ein kleines Bild von Salome, die ein goldenes Tablett mit dem Kopf von Johannes dem Täufer entgegennahm. Die Message war klar: Dir geht es scheiße, aber das ist nichts gegen das, was ich durchmachen musste.
    Óðinn setzte sich auf einen wackeligen Stuhl und hoffte, dass er seinem Gewicht standhielt. Es knarrte, aber das Ding krachte nicht zusammen. Óðinn stellte sich vor und bekam im Gegenzug den Spitznamen des Mannes zu hören.
    »Mir wurde gesagt, Sie wären bereit, mit mir zu sprechen. Ich hoffe, das war kein Missverständnis. Ich will Sie auch nicht lange stören«, setzte er an.
    Der Mann lachte, und Óðinn sah, dass er mit seinen Zähnen nicht so viel Glück gehabt hatte wie Kegga. Jeder zweite Zahn fehlte, und die verbliebenen waren braun und löchrig. Seine Nase war mehrfach gebrochen, ohne jemals von einem Arzt begradigt worden zu sein, und sogar seine Ohren schienen ihren Teil an Schlägen abbekommen zu haben.
    »Stören? Mein lieber Freund, ich habe heute genauso wenig vor wie an anderen Tagen.«
    Óðinn bemerkte, dass es in dem Raum keine Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung gab. Weder einen Fernseher noch einen Computer oder ein Radio und kein einziges Buch.
    »Man kann ja nie wissen«, erwiderte er.
    »Ich muss heute Abend zu einem Meeting, aber ansonsten habe ich Zeit. Frei wie ein Vogel«, sagte der Mann und lachte auf, aber sein Lachen verwandelte sich augenblicklich in ein rasselndes Husten.
    »Zu einem Meeting?« Erst dachte Óðinn, er mache Witze, aber dann wurde ihm klar, dass er ein AA-Meeting meinte. »Soll ich vielleicht einfach anfangen?«, fragte er, um die Sache voranzutreiben.
    »Ich bin schon ganz gespannt.« Das sollte witzig sein, und Pytti grinste über seine eigene Ironie.
    »Also.« Óðinn zog seine Notizen aus seiner Jackentasche. »Ich überprüfe, ob die Kinder, die man in Krókur untergebracht hat, anständig behandelt wurden, dass dort nichts Ähnliches wie in einigen anderen Kinder- und Jugendheimen vorgefallen ist.«
    »Lustig. Sie sagen Kinder. Ich kam mir nicht vor wie ein Kind, als ich dort war. Aber wenn ich heute zurückschaue, weiß ich das natürlich.«
    Óðinn sah auf seine Notizen und rechnete im Kopf Pyttis Alter aus. Er erschrak, als ihm klarwurde, dass er erst zweiundfünfzig war.
    »Sie waren vierzehn, stimmt das? Waren ein knappes Jahr dort«, sagte er.
    »Ja, ungefähr.«
    »Erinnern Sie sich noch an diese Zeit?« Óðinn musterte Pyttis deformiertes Gesicht und versuchte, den Wahrheitsgehalt seiner Antworten abzuschätzen.
    »Ja, nicht an jeden Tag, aber insgesamt schon. Die erste Hälfte meines Lebens habe ich immer klar vor Augen, aber danach verschwimmen ganze Jahrzehnte im Nebel. Vielleicht sind mir die alten Erinnerungen so gut im Gedächtnis geblieben, weil keine neuen dazukamen. Totaler Blackout.«
    »Wie würden Sie Ihre Zeit dort beschreiben? Ich meine, wie man mit Ihnen umging. Und mit anderen natürlich auch, falls Sie sich daran erinnern. Wurden Sie von den Mitarbeitern jemals schlecht behandelt, oder gab es nichts zu klagen? Abgesehen von der Freiheitsberaubung natürlich.«
    »Eine große Frage.« Der Mann starrte ihn an, ohne seinen Blick von ihm abzuwenden. Vielleicht beurteilte er auch gerade die Aufrichtigkeit seines Gegenübers. »Es war nicht besser und nicht schlechter als die Jahre davor und danach. Aber Sie müssen auch bedenken, dass ich davor und danach unter unmöglichen Bedingungen gelebt habe. Es war also keine große Veränderung.«
    »Tut mir leid, das zu hören«, sagte Óðinn.
    Er musste vorsichtig sein. Er wollte ja nicht das gesamte Leben des Mannes beurteilen, sondern nur die elf Monate, die er in Krókur verbracht hatte. Die meisten Jungen, die dort gelandet waren, hatten vorher unter schlimmen Bedingungen gelebt. Den Berichten nach stammten auffallend viele aus Alkoholikerfamilien oder ärmlichen Verhältnissen oder hatten mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Am Ende rächten sie sich für die Ungerechtigkeit in der Welt, indem sie etwas zerstörten oder stahlen und dafür mit ihrer Freiheit bezahlten. Pytti gehörte zu den Ersteren, war der Sohn von Alkoholikern, eines Ehepaars, das seinen Sohn in der Kindheit stark vernachlässigt hatte. Es versprach nichts Gutes, wenn die Bedingungen in Krókur ähnlich gewesen waren wie in seinem Elternhaus.
    »Aus welchem Grund fühlten Sie sich in dem Heim nicht wohl? Gab es da einen

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