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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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verlaufen, wenn er nicht nach Krókur geschickt worden wäre? Natürlich konnte Óðinn das nicht beurteilen, und es hätte auch nichts geändert. Ungerechtigkeit blieb Ungerechtigkeit, unabhängig davon, was davor oder danach geschah.
    »Bei den Untersuchungen anderer Heime kam heraus, dass die Kinder sich manchmal gegenseitig das Leben zur Hölle gemacht haben. Die Mitarbeiter haben sich nicht eingemischt, und viele Kinder haben unter Mobbing und Schlägen seitens der Älteren gelitten. Gab es so was auch in Krókur?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Natürlich gab es ab und zu Schlägereien, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass da eine Gruppe ziemlich aggressiver Jungen aufeinandertraf. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn wir uns nie geprügelt hätten. Es gab auch viele Hänseleien, aber nicht so, dass man wirklich darunter zu leiden hatte. Jedenfalls nicht über einen längeren Zeitraum.«
    Es war klar, dass Pytti im Heim kein Mobbing-Opfer gewesen war, wenn er die Hänseleien so erlebt hatte. Ein anderer hätte vielleicht eine ganz andere Geschichte erzählt. Óðinn schauderte bei dem Gedanken, mit weiteren ehemaligen Heimbewohnern reden zu müssen.
    »Möchten Sie mir sonst noch etwas mitteilen, wonach ich vielleicht nicht gefragt habe?«, sagte Óðinn. Er hatte das Gefühl, etwas übersehen zu haben, aber das Verlangen rauszukommen, zu Rún zu kommen, war unglaublich stark.
    »Nur, dass es ein schrecklicher Ort war. Also, der Ort selbst. Der Hof und die Umgebung. Das war nicht wie auf dem Land. Eigentlich weiß ich nicht, was für ein verdammter Fleck das war. Die Hölle eben. Es machte überhaupt keinen Sinn, da einen Bauernhof zu betreiben. Nee, da stimmte irgendwas nicht. Das hatte nichts mit den Leuten zu tun.«
    »Ich verstehe Sie nicht ganz. Was meinen Sie?«
    »Ich kann es nicht erklären, aber ich war nicht der Einzige, der den Ort verabscheut hat. Das ging allen so. Es war ein schlechter Ort. Einige haben behauptet, der Alte hätte ihr Kind da irgendwo vergraben und deshalb sei die Atmosphäre so gruselig.«
    »Ihr Kind?« Óðinn hatte kein Wort darüber gelesen, dass das Ehepaar ein Kind gehabt hatte.
    »Ein Kind oder einen Fötus. Ich weiß nicht, was es war, jedenfalls brachte die Alte ein Kind zur Welt, das bei der Geburt starb oder tot geboren wurde. Es konnte jedenfalls nicht mehr getauft werden, und diese Superchristen brachten es deshalb nicht über sich, es anständig zu beerdigen, auf einem Friedhof, oder es zu einer anderen Leiche in den Sarg zu legen. Sie haben es einfach irgendwo verbuddelt.« Pytti senkte den Blick, als er Óðinns ungläubiges Gesicht sah. »Sie glauben mir nicht, aber so war es wirklich. Und zwei Jungen mussten die Konsequenzen tragen.«
    »Moment mal, inwiefern?«
    »Sie starben. Zwei. Dachten Sie vielleicht, das wäre ein Unfall gewesen?«

14. Kapitel
    Januar 1974
    Aldís’ Gesicht war aufgequollen, und sie hatte nach einer schlaflosen Nacht Ringe unter den Augen. Das eiskalte Wasser erfrischte sie, aber nur für einen Augenblick. Sobald die Röte auf ihren Wangen verblasste, sah sie wieder genauso aus wie vorher, müde und angeschlagen. Beim Zähneputzen hätte sie am liebsten das Handtuch über den Spiegel gehängt. Eine Dusche wäre ein Geschenk des Himmels gewesen, aber es gab nur eine Badewanne, und es dauerte zu lange, sie volllaufen zu lassen. Außerdem würde Aldís bestimmt einschlafen, wenn sie sich todmüde ins heiße Wasser legte. Und sie wollte nicht an diesem verdammten Ort ertrinken.
    Aldís spuckte die Zahnpasta aus und spülte sich den Mund aus. Am liebsten hätte sie dasselbe mit ihrem Gehirn gemacht: die Gedanken, die sie wach gehalten hatten, weggespült. Sie drehten sich um die Beziehung zu ihrer Mutter und die vielen Ungereimtheiten bei Einar. Während Aldís sich im Dunkeln herumwälzte, wurden die Probleme immer unüberwindbarer. Das dumpfe Ziehen in ihrem Bauch nahm zu, und sie konnte einfach nicht abschalten. Das erdrückende Gefühl, dass alles zur Hölle ging, wurde übermächtig. Und sie konnte nichts dagegen tun. Während sie wach lag, versuchte sie verzweifelt, einen Weg zu finden, um ihr Leben in den Griff zu kriegen. Ständig musste sie an die Fügung des Schicksals denken, dass sie keinen Einfluss auf ihre Zukunft hatte. Sogar die Träume, die sie am Ende heimsuchten, waren quälend. Als der Wecker klingelte, wurde sie aus einer beklemmenden Welt gerissen. Zurück blieb nur die nebelhafte Erinnerung an ein Loch, aus dem sie nicht

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