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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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mich auf die Seite, damit ich ihn ansehen konnte; als ich mich bewegte, rutschte Jamies Hand von meinem Arm. Irgendwann in der Nacht musste er sie nach mir ausgestreckt haben oder wohl eher nach seiner Schwester.
    Jeb lehnte am steinernen Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt. »Morgen«, sagte er. »Ausgeschlafen?«
    Ich räkelte mich, beschloss, dass ich mich genügend ausgeruht fühlte, und nickte.
    »Ach, komm, jetzt schweig mich doch nicht schon wieder an«, beklagte er sich missmutig.
    »Entschuldigung«, murmelte ich. »Danke, ich habe gut geschlafen.«
    Jamie wachte vom Geräusch meiner Stimme auf.
    »Wanda?«, fragte er.
    Es berührte mich auf geradezu lächerliche Weise, dass es mein alberner Spitzname war, den er im Halbschlaf sagte.
    »Ja?«
    Jamie blinzelte und strich sich die zerzausten Haare aus den Augen. »Oh, hi, Onkel Jeb.«
    »Mein Zimmer war dir wohl nicht gut genug, was?«
    »Du schnarchst so fürchterlich«, sagte Jamie und gähnte.
    »Habe ich dir nicht bessere Manieren beigebracht?«, fragte ihn Jeb. »Seit wann lässt du einen Gast, und noch dazu eine Dame, auf dem Boden schlafen?«
    Jamie setzte sich abrupt auf und sah sich verwirrt um. Er runzelte die Stirn.
    »Mach ihm keine Vorwürfe«, erklärte ich Jeb. »Er hat darauf bestanden, die Matte zu nehmen. Ich habe ihn rüber gerollt, nachdem er eingeschlafen war.«
    Jamie schnaubte. »Das hat Mel auch immer gemacht.«
    Ich warf ihm einen warnenden Blick zu.
    Jeb kicherte. Ich sah zu ihm auf. Genau wie gestern hatte sein Gesicht den Ausdruck einer lauernden Katze; einen Ausdruck der Befriedigung über ein gelöstes Rätsel. Er kam herein und trat gegen den Rand der Matratze.
    »Du hast bereits die erste Stunde verpasst. Sharon wird deswegen bestimmt stinkig sein, also mach dich auf den Weg.«
    »Sharon ist immer stinkig«, beklagte sich Jamie, stand aber trotzdem auf.
    »Los jetzt, Junge.«
    Jamie sah mich noch einmal an, dann drehte er sich um und verschwand im Gang.
    »So«, sagte Jeb, sobald wir allein waren, »ich finde, dieser Babysitter-Quatsch hat schon viel zu lange gedauert. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Alle hier sind vielbeschäftigt - zu beschäftigt, um herumzusitzen und Wache zu spielen. Deshalb wirst du heute mit mir mitkommen müssen, während ich meine Arbeit erledige.«
    Ich merkte, wie mir der Mund aufklappte.
    Er schaute mich an, ohne zu lächeln.
    »Sieh mich nicht so verschreckt an«, knurrte er. »Dir passiert schon nichts.« Er tätschelte sein Gewehr. »Mein Haus ist kein Ort für Babys.«
    Darauf konnte ich nichts erwidern. Ich atmete dreimal schnell und tief durch und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. Das Blut rauschte mir so laut in den Ohren, dass seine Stimme verglichen damit leise klang, als er weitersprach.
    »Los, Wanda. Wir verschwenden unsere Zeit.«
    Er drehte sich um und stürmte aus dem Zimmer.
    Einen Moment lang stand ich wie erstarrt, dann folgte ich ihm hinaus. Er hatte nicht geblufft - er war bereits um die nächste Ecke verschwunden. Ich rannte hinter ihm her, entsetzt bei dem Gedanken, in diesem offensichtlich bewohnten Flügel in jemand anderen hineinzurennen. Ich holte ihn ein, bevor er die große Tunnelkreuzung erreichte. Er sah mich noch nicht mal an, als ich neben ihm langsamer wurde, um mich seinem Tempo anzupassen.
    »Es wird Zeit, dass das nordöstliche Feld bepflanzt wird. Aber erst müssen wir die Erde auflockern. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dir die Hände schmutzig zu machen. Wenn wir fertig sind, sorge ich dafür, dass du Gelegenheit bekommst, dich zu waschen. Du hast es nötig.« Er schnüffelte übertrieben, dann lachte er.
    Ich spürte, wie mein Nacken heiß wurde, ignorierte aber den letzten Satz. »Es macht mir nichts aus, mir die Hände schmutzig zu machen«, murmelte ich. Ich erinnerte mich, dass das nordöstliche Feld etwas abgelegen war. Vielleicht konnten wir dort alleine arbeiten.
    Sobald wir die große Haupthöhle erreichten, begegneten wir immer mehr Menschen. Wie üblich starrten sie mich alle grimmig an. Mittlerweile erkannte ich die meisten von ihnen wieder; die Frau mittleren Alters mit dem langen, graumelierten Zopf, die ich gestern in der Bewässerungsgruppe gesehen hatte. Der kleine Mann mit dem dicken Bauch, dem dünnen, sandfarbenen Haar und den geröteten Wangen war auch dabei gewesen. Die durchtrainierte Frau mit der dunklen, karamellfarbenen Haut war die, die sich gerade gebückt hatte, um ihren Schuh zuzubinden, als ich das erste

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