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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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tun.«
    MacDeath reckte den Hals und studierte die Tattoos der Leiche, während Clara ungeduldig auf die Uhr schaute. Die Hausdurchsuchung in Neukölln konnte jederzeit beginnen.
    »Wissen wir schon, wer er ist?«, fragte sie. »Irgendwelche Papiere?«
    Von Weinstein schüttelte den Kopf. »Nein. Er hatte nichts dabei. Nur dieses iPhone.« Von Weinstein zeigte auf eine Tüte mit einem ramponierten Mobiltelefon. »Scheint noch zu funktionieren.«
    »Das nehmen wir mit«, sagte Clara. »Soll sich Hermann darum kümmern, wenn er Zeit hat. Sonst noch was?«
    »Zahnarbeiten ebenfalls negativ«, sagte von Weinstein. »Sieht fast so aus, als wäre er nie beim Zahnarzt gewesen.«
    »Gebisszustand?«
    Von Weinstein zuckte wieder die Schultern. »Anscheinend gut. Auch wenn er nie beim Zahnarzt war, hat er sich um seine Zähne offenbar genauso gekümmert wie um seine Tattoos.«
    Clara schaute wieder auf die Uhr. »Okay, war’s das?«
    »Nicht ganz.« Von Weinstein tippte etwas in einen Computer ein. »Beim CT ist uns was Seltsames aufgefallen, abgesehen von dem Polytrauma.«
    Der Bildschirm blitzte auf und zeigte einen länglichen Gegenstand.
    »Das ist sein Magen. Und das hier«, Weinstein zeigte mit dem Stab auf eine Stelle am Bildschirm. »Das ist etwas, was da nicht hingehört.«
    Clara starrte angestrengt auf den Monitor.
    »Hat er es verschluckt?« Das Etwas sah nicht so aus, als wäre es zur Verdauung geeignet.
    »Sieht so aus.«
    Warum verschluckt man Dinge? , ging es Clara durch den Kopf. Weil man sie geheim halten will? Weil sie Informationen enthalten, die niemand erfahren soll? Wie auf dem USB-Stick von Gayo? Aber was sollte dieser Mann damit zu tun haben? Er …
    Ihr Handy klingelte. Es war Hermann.
    »Wir fahren zu Mandy Weiss«, sagte er. »Der Durchsuchungsbefehl vom Bereitschaftsrichter ist da. Willst du mitkommen? Wir können aber nicht lange warten.«
    »Ich komme direkt nach Neukölln. Adresse habe ich ja.«
    »Gut, bis gleich.«
    Clara schaltete ihr Handy aus und blickte von Weinstein an. »Wann obduzieren Sie?«
    »Morgen früh. Wir sind immer von acht bis dreizehn Uhr im Saal, das wissen Sie ja«, sagte er. »Es sei denn, Sie haben es auf einmal eilig.«
    »Versuchen Sie es so schnell wie möglich. Ich rufe Sie nachher an.«
    Von Weinstein nickte. »In Ordnung.«
    Clara rannte nach draußen, sprang in den Wagen und fuhr Richtung Süden.

6
    Die Gegend in Neukölln, in der sich das Haus befand, in dem Mandy Weiss untergekrochen war, erwies sich als noch schmutziger als der regenverhangene Himmel. Lange Rinnsale aus fauligem Wasser rannen die Fassade hinunter wie Speichelfäden aus dem Mund eines Erhängten, während die Kanalisation, die vom Dauerregen voll war, Abwasser und Fäkalien hervorrülpste.
    Eines der letzten besetzten Häuser in dieser Gegend , dachte Clara, als sie mit Marc und Philipp vom Mobilen Einsatzkommando die Treppe in den zweiten Stock hinaufstieg.
    Ein fürchterlicher Gestank schlug ihnen entgegen, als sie den Korridor der Wohnung betraten, oder als was immer man sie bezeichnen wollte. Es war eine dieser Wohnungen, die Clara kannte und hasste und wo man sich beim Rausgehen und nicht beim Reingehen die Füße abtreten musste.
    Links eine Küche, die nur aus schmutzigem Geschirr, überquellenden Mülleimern, verschimmelten Essensresten und fauligen Plastiktüten bestand. Rechts etwas, das einmal ein Bad gewesen war. Die Dusche war dermaßen verkalkt, dass sie offenbar seit Jahren nicht mehr benutzt worden war. Die Toilette schien zwar noch in Gebrauch zu sein, war aber ebenso lange nicht mehr gespült worden. Der Gestank war so bestialisch, dass Clara die Augen tränten.
    Sie betraten das Wohnzimmer. Der Boden war voll mit Unrat, Bierdosen, Pizzakartons, Spritzbesteck, Unterwäsche, Feuerzeugen, selbstgedrehten Zigaretten und blutbefleckten Taschentüchern. Einzig eine modrige, von Schimmelpilzen überzogene Couch erhob sich wie ein verwitterter Felsen aus einem Meer aus Schmutz.
    Zwei Penner kauerten auf dem Boden und stierten die Beamten aus trüben, verschleierten Augen an, bevor sie sich wieder ihren Wodkaflaschen widmeten. Jeder hatte eine Pulle vor sich stehen. Gut so, dachte Clara. Sie wusste: Entgegen der typischen Krimi-Meinung fanden die meisten Morde im Unterschichtenmilieu statt. Und wenn man einen Mord oder Totschlag verhindern wollte, sollte man dafür sorgen, dass die Anzahl der Wodka- oder Kornflaschen glatt durch die Anzahl der Trinker teilbar war. War das nicht der

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