Seelenbrand (German Edition)
Kirche deshalb alles getan hat, um sie mit Stumpf und Stiel auszurotten und ihre Lehre auf ewig vom Erdboden zu tilgen.« Müde fuhr er sich mit den Händen über sein zerfurchtes Gesicht. »Wenn der Beweis dafür unter unseren Füßen liegt, und der alte Saunière hat ihn gefunden ... dann gebe Gott, daß wir noch nicht zu spät kommen!«
»Hat er Ihnen davon erzählt, als Sie das letzte Mal vor seinem Tode bei ihm waren?«
Der Kräuterbruder schüttelte langsam den Kopf, und eine Träne kullerte über seine ausgetrocknete Wange. »Er hat mich angelächelt und mir seine Hand auf die Schulter gelegt. ›Mein alter Freund‹, hat er gesagt, ›ich werde jetzt vorausgehen, und das für immer in meinem Geist verschließen, was nie auf diese Welt hätte gebracht werden dürfen. Ich tue es für euch alle.‹ Mehr wollte er mir nicht verraten.«
»Ich will Ihnen etwas zeigen!« hastig kramte Pierre in seinen Hosentaschen. »Ah, da ist es ja!« Unter den neugierigen Augen von Marie, die die ganze Zeit so verdächtig still gewesen war, legte er die Halskette mit den zwei verschlungenen Davidsternen vor Severin auf den Tisch. »Kennen Sie das?«
Mit zittrigen Fingern griff der den kleinen Anhänger und balancierte ihn vor seinen zusammengekniffenen Augen hin und her. »Ja«, sagte er ohne große Erregung. »Das Zeichen der Eingeweihten. Sie haben sich regelmäßig an einem geheimen Ort getroffen und sich mit irgendwelchen Stammbäumen beschäftigt, die der alte Saunière bei der Renovierung der Kirche unter dem Altar gefunden hat.«
»Ja!« Pierre schnippte mit seinem Finger. »Mein Bischof hat mir davon erzählt. Der alte Abbé war doch in seinem Auftrag mit diesen unleserlichen Dokumenten überall herumgereist, um sie von Spezialisten untersuchen und entschlüsseln zu lassen.«
»Unser Handwerker Olivier hat diese Stammbäume mit eigenen Augen gesehen, als er in der Kirche gearbeitet hat«, meldete sich Marie plötzlich wieder zu Wort.
»Ja«, Pierre nickte ihr zu, »als er mir die Tür am Pfarrhaus repariert hat, hat er so etwas erwähnt. Er war natürlich zu dämlich, etwas darauf zu erkennen. Statt dessen hat er immer nur von diesem Gold gefaselt, das er gefunden hatte, und das der alte Abbé einfach für sich behalten hatte.«
»Sie kamen von außerhalb ... diese Leute«, sagte Severin bedächtig. »Sogar aus Paris.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, daß mein Freund, der Abbé, diese Gesellschaft geleitet hat, und jeder von ihnen dieses Medaillon als Erkennungszeichen trug.«
Pierre und Marie sahen sich unauffällig an. Der seltsame Raum, oben im Turm der Ruine von Blanchefort, war also der heimliche Treffpunkt dieser Gesellschaft, die sein Vorgänger ins Leben gerufen hatte. Und diese Kutte, die der Bruder trug, stammtewohl aus jener Kammer. Irgend jemand hatte sie vor seine Hütte gelegt. Aber warum?
»Dann ist es also diese Geheimgesellschaft, die dir und deinen Nerven so zusetzt? Will man dir etwas antun?« fragte Marie mitfühlend und legte ihre Hand auf Severins Arm.
Lächelnd sah er sie an. »Nein, mein Kind«, antwortete er schließlich nach langer Überlegung und begann mit monotoner Stimme zu sprechen. »Ihr seid von dem Vater, dem Teufel«, rezitierte er langsam. »Er ist ein Mörder von Anfang ... und ist nicht bestanden in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Er ist ein Lügner und ein Vater derselben. Wer von Gott ist, der höret Gottes Worte.« Wie von Geisterhand hob er seine zittrige und knorrige Hand. »Darum höret ihr nicht«, er schluckte, denn etwas schien seine Kehle zuzuschnüren, »... denn ihr seid nicht von Gott!« Er war aufgestanden und sah mit tränenden Augen zu ihnen hinunter. » Das ist es, was mich ängstigt und zerfrißt! ... Ihr seid ... nicht von Gott!«
Marie boxte Pierre ihren Ellenbogen in die Seite, wieder genau an die Stelle, die sie sich immer aussuchte. Der blaue Fleck, der sich mittlerweile auf seiner Rippe ausgebildet hatte – und der immer noch von der Kaffeetafel bei Madame Pauline stammte, als sie sich trickreich zu seiner Haushälterin wählen ließ –, hatte gar keine Gelegenheit, sich zurückzubilden. »Die Inschrift vom Kirchenboden!« tuschelte sie.
»Johannes, Kapitel acht, Vers vierundvierzig und siebenundvierzig«, flüsterte Bruder Severin geistesabwesend, ging wieder zum Fenster hinüber, öffnete es und sah in den blauen Himmel.
Die Sonne war bereits aufgegangen und ein herrlicher Sommertag nahm seinen Anfang.
»Was meint
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