Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
ausgefallen wäre, hätten sich ihre Chucks vorher in einen Haufen Hundekot verirrt.
Mia hangelte sich die Treppe nach draußen. Tief atmete sie die frische Nachtluft in ihre Lungen, welche ihr nach den miefigen Stunden im Bus wie reines Lebenselixier erschien. Nach und nach bahnte sich auch der Rest der Schülerschar einen Weg ins Freie und blieb prüfend, ob das Ferienlager auch die persönlichen Ansprüche erfüllte, stehen. Fünf grob zusammengezimmerte Holzhütten bildeten ein kreisförmiges Zentrum, in dessen Mitte eine gigantische Feuerstelle vor sich hin kokelte.
Eine Tür in der Hütte links außen öffnete sich und spuckte einen Mann mittleren Alters aus, auf dessen Gesicht sich das Grinsen eingebrannt hatte.
Mit ausgebreiteten Armen schritt er auf sie zu und nahm sie in Empfang wie ein Schäfer seine Herde.
»Schön, dass ihr angekommen seid. Ich hoffe, ihr hattet eine gute Fahrt?«
Einstimmiges Gemurmel ertönte, was durch das Gähnen Vereinzelter unterbrochen wurde.
Der Campleiter lächelte milde und bedachte sie mit einem Blick, der Mia daran erinnerte, wie Psychiater ihre Patienten betrachteten. Mitleidig, fürsorglich … und so als wären sie nicht ganz zurechnungsfähig. Schon jetzt spürte Mia eine tiefe Abneigung gegen Dr. Psycho, wie sie ihn im Stillen nannte.
»Ich denke, ihr werdet von der langen Reise alle müde sein. Darum wird es das Beste sein, ihr bezieht erst einmal euer Quartier.«
Dr. Psycho bedeutete ihnen mit dem Zeigefinger, ihm zu folgen und gab dabei schnalzende Laute von sich.
Das Vieh wird in den Stall geführt , dachte Mia voller Sarkasmus und schlurfte missmutig dem Rest der Gruppe hinterher.
Ein Stück neben ihr lief Aleksander, der es scheinbar auch nicht sonderlich eilig hatte, sich in eines der Holzhäuschen verbarrikadieren zu lassen.
»So, die Mädchen dürfen sich in der Hütte rechts außen häuslich einrichten. Die in der Mitte steht den Jungen zur Verfügung. Und die Große dazwischen ist das Gemeinschaftshaus. Dort finden die täglichen Essen und Zusammenkünfte statt. Um neun Uhr gibt es Frühstück. Die restlichen Termine erfahrt ihr zu gegebener Zeit.«
Die Augen des Campleiters verengten sich. Stierend blickte er sie an und fuhr im Tonfall eines tollwütigen Tieres fort, scheinbar jederzeit bereit, sich auf die vor ihm stehenden Jugendlichen zu stürzen.
»Übrigens, sollte es einmal, und ich meine damit auch nur einmal, passieren, dass sich ein Junge in das Nachtquartier der Mädchen verirrt, oder umgekehrt, bedeutet das die sofortige Abreise für denjenigen oder diejenige! Habt ihr mich verstanden?«
Seine Augen bohrten sich förmlich in die Gesichter der Umherstehenden.
»Und jeder, aber auch wirklich jeder Termin wird eingehalten! Ob das die Essenszeiten oder sonst welche Aktivitäten oder Beschäftigungen sind. Ansonsten …« Der Campleiter deutete in Richtung Ausgang und grinste boshaft von einem Ohr zum anderen. In Mias I-Pod lief währenddessen »Große Freiheit«.
Nachdem das Herunterleiern sämtlicher Verbote endlich seinen Höhepunkt erreich hatte, entließ man die Jugendlichen gnädigerweise in ihre Quartiere, was allgemein mit einem erleichterten Seufzer aufgenommen wurde.
Mia trollte sich hinter den anderen Mädchen durch die etwas windschiefe Eingangstür. Die Einrichtung war spartanisch. Einfach gehalten. Ein Dutzend Stockbetten, mit blau karierten Decken und ein kleiner Tisch bildeten das Mobiliar. Doch in diesem Augenblick verschwendete Mia keine Sekunde an fehlende Luxusgüter. Mit einem Aufschrei ließ sie sich auf die nächstbeste Schlafstatt fallen und vergrub ihr Gesicht in den dicken Kissen. Sie streifte die dunklen Chucks von ihren Füßen und zog umständlich die Federdecke über ihre Schultern. Mia verschwendete keinen Gedanken an etwaiges Abschminken oder andere Schönheitsmaßnahmen. Wieso, und für wen auch? In ihren Augen nichts als unnötige Zeitverschwendung. Und obwohl Mia kein bisschen müde war, wollte sie nur eines … ihre Ruhe. Mia lag noch lange wach und hörte auf die fremden, ungewohnten Geräusche in der neuen Umgebung. Sie lauschte den gleichmäßigen Atemzügen ihrer Mitbewohner und träumte sich in Gedanken weit fort. Sie fantasierte von einer Welt, in der sie sie selbst sein konnte. In der sie keine Rücksicht auf ihre Eltern oder sonstige Menschen nehmen musste, die sowieso nichts anderes zu tun hatten, als sie zu kritisieren. Mia verlor sich auf ihrer Traumreise in dieser
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