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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Zischen.
    »Die Konditionierung ist sehr stark«, sagte er. »Fast so stark wie bei einer unserer Fallen. Ich kümmere mich darum.« Er stieg aus.
    Thorpe hob den Kopf, sah nach vorn und stellte fest, dass die Straße wenige Meter vor dem Bus in grauem Nichts endete. Eine Nebelwand schien sich vor dem Bus gebildet zu haben, aber das war unmöglich bei dieser Hitze. Er blickte nach hinten und beobachtete, wie die Ruinen von Neapel, das Meer und der Vesuv in einem farblosen Dunst verschwanden, der kein Dunst war, sondern … nichts.
    Der junge Mann mit dem Kopf, der tatsächlich ein wenig zu groß war, wie Thorpe jetzt sah, ging nach vorn und blieb dort stehen, wo die Straße im »Nebel« verschwand. Asphaltflecken erschienen vor ihm und vereinten sich zu einer Fahrbahn, die ins graue Nichts wuchs.
    »Was macht er da?«, fragte Thorpe.
    »Er baut uns einen Weg zurück«, sagte Kronenberg, schniefte erneut und steckte das Taschentusch ein. Dann schoss seine Hand plötzlich nach vorn und packte Thorpe an der Gurgel. Die anderen in der Nähe sitzenden Männer schauten nur zu. »Dabei gäbe es einen viel einfacheren Weg, dieses kleine Problem zu lösen. Er meint es immer zu gut. Wenn es nach mir ginge …«
    »Wer ist er?«
    Die blauen Augen über der krummen Nase blieben kalt, aber die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Du weißt nicht wer er ist?«
    »Nein«, sagte Thorpe.
    Kronenberg ließ ihn los. »Das ist Salomo, auch ›Seelenfänger‹ genannt.«
    »Der Mann dort?« Thorpe sah wieder nach draußen.
    Kronenberg lachte. »Hier hat er sich dieses Erscheinungsbild gegeben. Du hast ihn in anderer Gestalt gesehen.«
    »In anderer Gestalt?«, wiederholte Thorpe, und sein Kopf war plötzlich voller absurder Gedanken.
    »Du hast ihn gesehen und nichts geahnt, du Schwachkopf.«
    Thorpe sah in die blauen Augen des Mannes, in denen sich ein Erinnerungsbild zu formen schien. Er betrachtete es ein oder zwei Sekunden, ohne zu begreifen, und dann schnappte er nach Luft. »Aber …«
    »Es dauert Stunden«, sagte einer der anderen Männer. »Auf diese Weise dauert es Stunden, bis wir zurückkehren können.«
    »Wie gesagt, Salomo meint es zu gut«, knurrte Kronenberg. »Es geht auch anders. Viel schneller.« Er hob die Hand, streckte den Zeigefinger nach vorn und den Daumen nach oben, zielte auf Thorpe und sagte: »Peng.«
    Thorpe schmetterte dem Konzernpolizisten die linke Faust an die Schläfe und zog ihm gleichzeitig mit der rechten Hand die Pistole aus dem Halfter. Er wusste, wie man damit umging, und richtete sie entsichert auf Fukuroku. Der Fahrer sah im Rückspiegel, was geschah, und erschrak so sehr, dass er die Steuerung verriss und der Elektrowagen zur Seite schleuderte. Sofort griff der automatische Sicherheitspilot ein und brachte den Wagen in die Prioritätsmitte der Fahrbahn zurück.
    Fukuroku hob beide Brauen. »Was ist los mit Ihnen, Thorpe?«
    »Ich weiß, wer der Seelenfänger ist!«, stieß Thorpe hervor, während der zwischen den Sitzen liegende Polizist stöhnte. »Ich kenne seine Identität!«
    »Ganz ruhig, Thorpe«, sagte Nathan Fukuroku sanft. »Bleiben Sie ganz ruhig.«
    »Ich weiß, wer er ist!« Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Thorpe lächelte wieder, obwohl das Lächeln eigentlich dem anderen Thorpe gehörte, und dachte dabei einen absurden Gedanken: Ich frage mich, ob die Kugel von der Stirn abprallt.
    Er drehte die Pistole und schoss, bevor Fukuroku ihn daran hindern konnte.
    Die Kugel prallte nicht von seiner Stirn ab. Sie hinterließ ein kleines Loch darin, riss ein größeres in den Hinterkopf und ließ Gehirnmasse, Blut und Knochensplitter auf die Rückenlehne spritzen.

Lassonde – Willkommen in der Realität II
    Lassonde
    Wil lkommen in der Realität II
    25
    D as Luftschiff an der Anlegestelle des Symposiums wurde von brummenden Navigationspropellern und langen Leinen stationär gehalten. Die Gondeln hatten sich wie Samenkapseln geöffnet, und zahlreiche Passagiere eilten nun über die Rampen und strebten den Ein gängen des großen Gebäudesmit den geschwungenen Terrassen entgegen. Niemand achtete auf Florence, als sie über die Brücke zwischen den vier Türmen des Symposiums und dem fünften mit der violetten Spirale des Wahrheitszentrums ging. Auf dem Weg dorthin kamen ihr einige Männer und Frauen entgegen, die enttäuscht wirkten – offenbar waren sie am Ende der Brücke von den beiden Wächtern abgewiesen worden, die derselben Subspezies angehörten wie der

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