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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Augen erschienen Thorpe kalt wie Eis. Die Nase war auffallend krumm.
    »Was sind das für Leute?«, fragte er.
    »Es sind Freunde«, antwortete der junge Mann mit dem glatten Gesicht und deutete auf die Gestalt mit dem weißblonden Haar, den eisblauen Augen und der krummen Nase. »Das ist Kronenberg. Ihr werdet euch bestimmt gut verstehen.«
    Thorpe fühlte sich sonderbar, als sie das große Gebäude verließen, das die Räume der Foundation enthielt und wie eine stilisierte Hand in den Himmel über Sea City ragte. Von einem Konzernpolizisten in blauer Uniform begleitet stiegen Fukuroku und er in einen wartenden Elektrowagen, der sich sofort in den dichten Verkehr einfädelte. Fukuroku musterte ihn aufmerksam und sprach davon, dass sie den Hafen und die Aufgehende Sonne in etwa zwanzig Minuten erreichen würden, aber die Worte blieben sonderbar bedeutungslos für Thorpe. Etwas geschah mit ihm, spürte er, und er versuchte zu ergründen, was es war.
    »Etwas geschieht mit mir«, sagte er, beobachtete den Verkehr, die großen Gebäude und die Menschen auf den Bürgersteigen. Zwischen den vielen zivilen Fahrzeugen, die meisten von ihnen mit Elektroantrieb, bemerkte er gelegentlich auch das Blaugrün des Militärs. An Kreuzungen standen Soldatengruppen, aber abgesehen davon wirkte alles normal. Die Bürger von Sea City setzten ihr übliches Leben fort, obwohl sich vier Kriegsschiffe der Taiwanischen Rebellen näherten. Thorpe glaubte sich an eine kombattante KI zu erinnern, die MS-Oracle mit inoffizieller Hilfe der EACK gegen die Taiwaner einsetzen wollte, aber er war nicht ganz sicher, ob es sich um eine echte Erinnerung handelte oder um Fragmente eines Traums. Aber vielleicht, dachte er, als er beobachtete, wie die Gebäude von Sea City an ihm vorbeihuschten, träume ich noch immer. Die Frage ist: Wo schlafe ich?
    »Wo schlafe ich?«, murmelte er.
    »Sie schlafen nicht«, sagte Fukuroku. »Sie träumen auch nicht. Dies ist die Wirklichkeit, Thorpe. Wir fahrend zur Aufgehenden Sonne .«
    »Warum sehen Sie mich so an?«, fragte Thorpe.
    »Wie sehe ich Sie denn an?« Nathan Fukuroku sprach ganz ruhig, wie ein Arzt mit seinem Patienten.
    »Irgendwie … seltsam. Und so fühle ich mich auch … seltsam.«
    »Das war zu erwarten.« Fukuroku drehte sich halb um und richtete einige Worte auf Japanisch an den Fahrer. Der Elektrowagen summte lauter und wurde schneller. »An Bord des Schiffes ist alles vorbereitet.«
    Thorpe sah sich erneut um. Gebäude glitten vorbei, auf den Bürgersteigen vor ihnen anonyme, namenlose Menschen. Der Verkehr schien noch dichter zu werden. Eine schwimmende Stadt mitten auf dem Meer, und es ging in ihr zu wie in New York vor der Überflutung von Manhattan. Er drehte den Kopf zur anderen Seite. Ein Polizist saß neben ihm, seine blaue Uniform so glatt und perfekt, als wäre sie gerade gebügelt worden. Ein Mann in mittleren Jahren steckte darin, ebenso anonym und namenlos wie die Passanten vor den Gebäuden. Warum haben all diese Menschen keine Namen? Warum sind sie niemand, dachte Thorpe, und es war wieder einer dieser Gedanken, die sich fremd anfühlten, obwohl er jetzt ein anderer Thorpe war. Offenbar gab es auch für ihn, den anderen Thorpe, absurde Gedanken.
    »Ist alles stabil?«, fragte Fukuroku, und zum ersten Mal erklang Sorge in der Stimme des Missionsleiters von Samsung-Nippon.
    Er weiß, dass etwas nicht stimmt, dachte Thorpe. Er spürt es ebenfalls. »Ich bin mir nicht sicher.«
    »An Bord der Aufgehenden Sonne sorgen wir dafür, dass es Ihnen besser geht, Thorpe«, sagte Fukuroku.
    Der Polizist neben ihm … Thorpe bemerkte die Waffe in seinem Gürtelhalfter, dunkel wie ein Teil der Nacht.
    Thorpe begann zu schwitzen, und das war kein gutes Zeichen, bedeutete es doch, dass er die Kontrolle verlor. »Wohin fahren wir?«
    Der junge Mann mit dem glatten Gesicht saß am Steuer des Busses, dessen Motor wieder funktionierte und der über die staubige Straße rollte, zurück in die Richtung, aus der die Reisegruppe gekommen war.
    Kronenberg sah ihn an, schniefte und betupfte sich die schiefe Nase. Rote Flecken blieben auf dem Papiertaschentuch zurück. »Wir fahren aus deinem verdammten Traum«, sagte er.
    Sie werden träumen und wach sein, Thorpe.
    »Ich träume nicht«, sagte er. »Ich bin wach.«
    Der junge Mann am Steuer – sein Kopf erschien Thorpe etwas zu groß – war nicht mehr so ruhig wie vorher. Er fluchte und trat auf die Bremse. Die Türen öffneten sich mit einem hydraulischen

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