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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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finden. Und du kannst uns helfen, eine Spur des Seelenfängers zu entdecken und sie – vielleicht – zurückzuverfolgen. Salomo hat deinen Zacharias, und du bist mit ihm verbunden, mit Zach.«
    »Ich bin mit ihm verbunden?«
    Der blasse Avatar vor Florence hob den Zeigefinger an die Lippen, bot das Erscheinungsbild eines nachdenkenden Menschen. »Die Frage ist, ob Salomo das ebenfalls weiß, ob er sich dessen bewusst ist. Bisher hat er nur wenige Fehler gemacht …«
    »Welche Verbindung meinst du?«, fragte Florence voller Hoffnung.
    »Du hast es Benedict erzählt, und zunächst hat er nicht darauf geachtet«, sagte Marta. »Bis ihr erfahren habt, dass sich Zacharias in Prisma befindet. Daraufhin wurde ihm klar, dass sich hier eine Möglichkeit bietet, Salomos verborgene Ausgangsbasis zu finden.«
    Florence schüttelte hilflos. »Ich verstehe noch immer nicht ganz …«
    »Ich meine nicht die Verbindungen hier und hier.« Marta deutete auf Stirn und Herz. »Ihr seid ein Paar, aber darum geht es nicht. Als ihr aufgebrochen seid, um den Legaten – den Traveller – namens Teneker zu retten, habt ihr euch miteinander verbunden …«
    Plötzlich begriff Florence. »Das Interface-System der Foundation! Das Computerprogamm …« Sie erinnerte sich an ihre letzten Worte – Programm starten –, und daran, diese Worte mit einer magischen Formel verglichen zu haben. Und später, in der Festung, hatte ein Buch eine »magische Formel« von ihr verlangt … Wieder gerieten ihre Gedanken durcheinander, schwirrten wie aufgescheucht und angestachelt, doch irgendwo in diesem Chaos regte sich neue Hoffnung.
    »Wenn die Verbindung über das Interface-System noch besteht …«
    »Du glaubst, dass sie deine Realität beweist, die Wirklichkeit der Welt namens Erde? Ist dir das noch immer wichtig? Genügt es dir nicht, dass du denkst und existierst ? Brauchst du etwas Abstraktes, um dich daran festzuhalten?«
    Wie kann die Wirklichkeit abstrakt sein?, dachte sie. Vor dem inneren Auge sah sie Matthias, Lilys Avatar auf dem Hauptschirm im Büro des Sysadmins … und Zach im Rollstuhl, gelähmt, ein Mann, der nicht einmal mehr sprechen konnte und sich durch Bewegungen seiner Augen mitteilte, von Kamera und Software in Buchstaben auf einem Monitor verwandelt. Ein solcher Mann brauchte einen ganz anderen Halt in seinem Leben, hatte andere Träume und Hoffnungen.
    Für einen schrecklichen Moment dachte sie daran, dass sich Zach vielleicht gar nicht in der Gefangenschaft des Seelenfängers befand, sondern den Verlockungen seiner »Freiheit« erlegen war: ein neues Leben, so »wahr« wie die Gedanken und Gefühle in diesen Welten.
    Ihn zu befreien bedeutete, ihn zu seinem Leben im Rollstuhl zurückzubringen, zu einem frühen Tod, schon in wenigen Jahren.
    »Hilf uns herauszufinden, woher Salomo kommt und wer er ist«, sagte Marta. »Hilf uns, das Netz der Welten vor ihm zu schützen. Es dürfen nicht nur seine Gedanken sein, die alles dominieren. Hilf uns, die Freiheit von Lassonde und all der anderen Welten zu verteidigen.«
    Ist Lassonde wirklich frei?, fragte sich Florence und dachte an Unterstadt, an die Menschen, die von Geburt an für die Arbeit in den gewaltigen Maschinen bestimmt waren. Jemand anders, die Denker von Oberstadt und die Gestaltarchitekten von Mittelstadt, hatte beschlossen, welches Leben sie führen mussten. War das Freiheit? Relativ und absolut, dachte Florence. Vielleicht hatte Marta recht. Vielleicht lag der wahre, wichtige Unterschied dort, zwischen Relativem und Absolutem, nicht zwischen Wirklichkeit und Fiktion, zwischen objektiver und subjektiver Realität. Vielleicht, dachte sie, muss ich lernen, mich von alten Vorstellungen zu lösen und in neuen Begriffen zu denken.
    Etwas weckte ihre Aufmerksamkeit, und sie drehte den Kopf. Mehrere Personen standen auf der anderen Seite des großen Raums, bei der Treppe, über die der Wächter Florence nach oben geführt hatte. Ganz vorn erkannte sie Benedict neben einem Mann um die sechzig, der eine Art Uniform trug und schütteres Haar hatte.
    »Wochenlang habe ich hier auf einen von ihnen gewartet«, brachte Benedict fassungslos hervor. »Und jetzt sind … wie viele hier? Zwanzig? Dreißig?« Er wollte vortreten, aber der Mann an seiner Seite legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf.
    »Sie haben nach dir gesucht«, erklärte Marta. »Ich habe ihnen mitgeteilt, dass sie dich hier finden würden. Bitte hilf uns, Florence. Hilf uns, die Freiheit des

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