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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Visionäre. Als könnten Maschinen Visionen haben, obwohl sie tot sind.« Seine Stimme veränderte sich. »Aber sie breiten sich aus, Zacharias. Sie schicken ihre kalten Maschinengedanken überallhin, in alle Welten des Netzes und sogar darüber hinaus. Sie bauen und konstruieren die Welten, wie es ihnen passt, und machen uns Menschen zu Statisten auf ihren Bühnen.«
    Der Seelenfänger sprach mit besonderem Nachdruck, aber seine Worte berührten Zacharias nicht so, wie sie ihn bei den ersten Begegnungen mit Salomo berührt hatten. Sie schufen nur ein leichtes Prickeln in ihm, ohne sein Denken und Fühlen in kritikloses Wohlbehagen zu tauchen.
    »Du weißt inzwischen, dass der Space viel größer ist, als du gedacht hast, Zacharias«, fuhr Salomo fort. »Du weißt, dass nicht nur Traveller auf Dauer in ihm existieren können, sondern auch andere Menschen wie deine Florence, die nicht wie wir begabt sind. Der wesentliche Unterschied besteht daran, dass wir diese Welten verändern und nach Belieben zwischen ihnen wechseln können, während Unbegabte die Welten so akzeptieren müssen, wie sie sind, und Übergänge brauchen, um andere zu erreichen. Aber wir Traveller sind wenige, und noch weniger von uns sind imstande, ganze Welten zu erdenken.«
    »Die Weltenbauer.«
    »Ja, Zacharias. Ich habe sie dir gezeigt, und was ich dir gezeigt habe, war die Wahrheit. Wir bauen Welten. Aber die Denkmaschinen bauen sie schneller als wir, und durch die Verbindungen, die vielen Interface-Systeme, haben sie Zugriff auf mehr kreative Daten, auf die Träume, Erinnerungen, Wünsche und Hoffnungen all der Menschen, die sich irgendwann mit solchen Interface-Systemen verbinden: Traveller und Therapeuten, die durch den Space reisen, oder Leute, die Teil von virtuellen Realitäten werden. Aus diesem Material bauen die Maschinen die Welten, die sie wollen, und sie verändern die bestehenden, teilweise von uns geschaffenen, nach ihrem Gutdünken. Diese Denkmaschine hier …« Salomo deutete auf die dunklen rechteckigen Blöcke. »Wer weiß, wer sie erbaut hat, und wann und wo. Es ist uns gelungen, sie vollkommen zu isolieren und zu ›töten‹, oder fast. Sie schläft so tief, dass ihr Schlaf dem Tod sehr nahe kommt, und eines steht fest: Sie kann von hier aus keinen Einfluss mehr auf das Netz der Welten nehmen.« Eine neue Geste galt den vielen Spiegeln, die sich langsam und geduldig drehten. »Es war ein Experiment; wir wollten herausfinden, wie man die Maschinen besiegen kann. Und es gab uns Gelegenheit, Prisma zu schaffen, die erste Insel der Freiheit. Von hier aus haben wir begonnen, die Welten zu bauen, die wir brauchen, und anderen Freiheit zu bringen.«
    »Virtuelle Realitäten und Space, miteinander verschmolzen?«, fragte Zacharias und glaubte, mehrere logische Löcher in diesem Konzept zu erkennen.
    »Vernetzt zu einer Hyperrealität«, sagte der Seelenfänger. »Zur einzigen Realität, die wirklich eine Rolle spielt. Ein Netz von Welten, in dem jeder von uns glücklich werden und das Leben führen kann, das er führen möchte. Ich habe es dir gezeigt, Zacharias. Aber die Maschinen, sie übernehmen überall die Kontrolle. Von Lassonde aus haben sie ihre Herrschaft über den ganzen Hauptstrang ausgebreitet und Protektor zu ihrem Werkzeug gemacht. Überall versuchen sie, meinen Einfluss zurückzudrängen.«
    »Lassonde ist ihr Zentrum?«, fragte Florence.
    »Du bist dort gewesen, Florence«, sagte Salomo eindringlich. »Du hast es gesehen, mit eigenen Augen. Eine Welt, die zum größten Teil aus Maschinen besteht und die Menschen ihren Aufgaben entsprechend formt. Du hast auch die vielen Apparate gesehen, die selbst die Bewohner von Mittel- und Oberstadt in ihren Körpern tragen. Sie alle werden kontrolliert, von den Denkmaschinen, deren Türme aus der Unterstadt bis ganz nach oben ragen. Du hast gesehen, was geschieht, wenn Maschinen eine Welt so gestalten können, wie sie es möchten, und ich frage dich, Florence: Möchtest du in einer solchen Welt leben?«
    Florence schwieg und warf Zacharias einen Blick zu, der so viel sagte wie: Er versucht, uns beide zu beeinflussen.
    »Die Lassonder bezeichnen ihre Welt als einzige, wahre Realität«, fuhr Salomo fort. »Sie meinen: Es ist die einzige richtige Realität, im Sinne der Maschinen.« Er seufzte tief, wie jemand, von dem eine große Last gewichen war und der endlich zu hoffen wagte. »Mit eurer Hilfe habe ich Protektor einen schweren Schlag versetzt, und inzwischen greifen meine

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